Früher war alles „i“, morgen sind wir „e“
Was hat eine Relevanz von 17,4 Prozent in Deutschland? Nein, nicht die SPD, sondern das „e“ ist gemeint. Ohne e geht nichts in Deutschland und deshalb ist das e im Deutschen auch der meistverwendete Buchstabe. England, Frankreich, Spanien – sie alle loosen ab, was das e betrifft. Man könnte sagen, dass das e das Fundament der deutschen Sprache bildet. Allein Reemtsma braucht ja schon zwei auf einmal.
Auf Platz zwei kommt schon weit abgeschlagen mit 9,78 Prozent Marktanteil das n. Anders sieht es dann schon wieder auf der Hitliste der Anfangsbuchstaben in Deutschland aus. Da ist das n noch nanz norne nauf Nlatz neins. Aber das e holt auf.
Wir erinnern uns.
Als MP3-Player noch langweilige Festplattenrekorder waren, die mit Mini-Disk und störanfälligen Festplatten bestückt wurden, da war es das i, das eine ganze Generation hip machte: iPod. Dem folgten dann iTunes, iMac, iBook, iPhone, iPad, iOS, iFersucht – nee, das war was anderes. Dafür gibt es für ältere und gehbehinderte Menschen inzwischen nicht nur einen Elektro-Rollstuhl, sondern gleich den iChair mc mid. Ich muss zugeben, „mc mid“ klingt jetzt nicht so hip wie „iChair“. Den gibt es übrigens nicht von Apple, sondern von Meyra. Es scheint so, dass Apple bei der Registrierung der Markenschutzrechte eine Kategorie übersehen hat. Andere Hersteller bieten zum Nachrüsten einen e-fix an.
Heute ist „e“ nämlich ganz schick.
Wir sprechen von der eMobilität – und meinen damit Autos, die ständig an die Steckdose müssen. Das macht die Autos derzeit nicht unbedingt wirklich mobil, was die Reichweite und den Ladevorgang betrifft, klingt aber schon mal mit dem e vorneweg ganz zukunftsweisend. Das Fahrrad wird gepimpt zum eBike, damit es bergauf ein wenig leichter geht. Was früher ein einfacher Roller war, wird nun zum eScooter. Handwerksbetriebe bieten einen e-Check an und der Segway setzt sich vermutlich deshalb nicht in der privaten Anwendung durch, weil er nicht „eStehmobil“ heißt.
Dabei war die E-Mail schon cool, blieb aber lange Zeit alleine mit ihrem E. Wenn man von E.ON mal absieht. Allerdings war man in der Schule schon eine Spur cooler, wenn man bereits eine E-Gitarre spielen konnte, wogegen das E-Piano sein Image wegen des Kopfhöreranschlusses zur Rücksichtsmaßnahme auf die Mitbewohner entwickelte.
Wenn wir Kinokarten online bestellen und zu Hause das eTicket analog ausdrucken, damit wir nicht bei leerem Handyakku mit unserem Popcorneimer draußen bleiben müssen, zahlen wir wie selbstverständlich für den eService einen Euro mehr. Ein Euro dafür, dass demnächst noch weniger Personal dort Beschäftigung findet.
Die Firma Engel präsentiert irgendein klobiges grünes Monster zur Herstellung von Präzisionsteilen als e-duo. Das macht es schon etwas elegant und wirkt schlanker. Die Frage ist nur, ob die Vorgängermodelle vielleicht mit Diesel oder Dampf betrieben wurden? Egal. Pardon: eGal.
Wenn Firmen sich umbenennen – das e muss bleiben.
So wurde aus e-Agrar inzwischen e-wetter. Wir zahlen mit ePay oder eTax und kaufen munter bei ebay. Jaguar nutzt seinen – wunderschönen – Namen leider nicht für die strombetriebene Variante . Da heißt er E-Pace. Schade eigentlich. Porsche traut sich da schon mehr: Porsche E-Performance, Mission E oder Mission E Cross Turismo. DAS hat Klang. Die E-Klasse von Mercedes ist dagegen nicht so cool, sondern ein trauriger Dienstwagen-Compliance-Kompromiss, der nur mit Vollausstattung wieder zu kompensieren ist, weshalb E-Klasse-Fahrer auch gerne darauf verweisen: „Ist nur ne E-Klasse – aber mit Vollausstattung.“ „Vollausstattung“ ist übrigens ein Wort ohne e.
Renault ist so freundlich und verzichtet für das eMobil „Twizy“ ganz auf das e. Das geschieht vermutlich mit Rücksicht auf die „Esthetik“ des e, denn der Twizy ist rein optisch nur etwas für absolut schmerzbefreite Anwender.
Die Bundesagentur für Arbeit, eigentlich eine Behörde, die schon nach Staublunge klingt, bietet – ganz modern und frisch – eServices an und auch eServices Geldleistungen. In Berlin wurde das Förderprojekt „E-Bus“ bereits vor einigen Jahren abgeschlossen. Immerhin. Der Flughafen dauert ja noch etwas.
Dann haben wir da noch das eBook, was auf dem Vormarsch ist, und dann wiederum auch die ganzen eBook-Reader, und so manche Bücherei hat bereits eAudio, eMusik (da ist das i dann definitiv auf die hinteren Plätze verwiesen) und sogar eVideo im Sortiment. Kein Wunder, denn auf den dieselbetriebenen Büchereibus aus guten alten Zeiten können wir in den Vororten der Städte lange warten.
Das „elektronische Klassenzimmer“ kommt inzwischen zu uns nach Hause oder ins Büro: Zahlreiche eLearning-Angebote lassen auch Standardstoff leichter und moderner wirken. Für die Allgemeinbildung reichen dann die ePaper-Ausgaben der Tageszeitungen. Der Sender n-tv titelt „Schaeffler steuert in die E-Wende“ – wow! Das macht die Probleme von Schaeffler fast vergessen. Die Freie Universität Berlin bietet E-Examinations an. Voll gut: „keine unleserlichen Handschriften“ und „ganzheitliches E-Learning“. Wörtlich genommen, folglich ein E-Learning, das alle Aspekte berücksichtigt und größere Zusammenhänge erkennen lässt.
Eine volle Enttäuschung – zumindest was den (intellektuellen) Antrieb betrifft – ist auf dem Campus Saarbrücken das „Studentenwohnheim E“. Da gibt es 20 qm Wohnfläche, aber nicht auf Solarbasis, sondern im Wohnblock E. Schade. Ein „eStudentenwohnheim“ wäre sicher zukunftsweisend.
Apropos, wo wir gerade ein wenig unsere Zielgruppe streifen: Zukunftsweisend sind dagegen die eZigaretten. Wir haben jetzt auch eine.
„myBlu“. Ohne e. Aber ziemlich cool.
Ihre
Doreen Neuendorf