Nudging: Der erhobene Zeigefinger erobert die Welt
Durch das sogenannte „Nudging“ will der Staat den Bürger zu einem „besseren“ Verhalten animieren. Doch das Mittel der psychologischen Manipulation ist nicht unumstritten.
Seit zwei Jahren beschäftigt sich die Bundesregierung intensiv mit dem Thema Nudging. Damals hat das Bundeskanzleramt nämlich die eigene Projektgruppe „Wirksam Regieren“ ins Leben gerufen, die sich mit dem verhaltensökonomischen Phänomen beschäftigt.
Der Trend des „Nudgings“, zu Deutsch „Schubsen“, kommt aus den USA und zielt darauf ab, Bürger mit kleinen Stupsern zu besserem Verhalten zu animieren. Z. B., sich gesünder zu ernähren, weniger zu rauchen, an die Altersvorsorge zu denken oder Energie zu sparen. Mithilfe einfacher psychologischer Tricks lässt sich das Verhalten beeinflussen und die Entscheidungsfindung korrigieren. Mit dieser Methode können Ziele, die dem gesamtgesellschaftlichen Interesse oder individuellen Interesse zuträglich sind, ganz ohne Gesetze und Verordnungen nachhaltig erreicht werden. Von den USA über England bis Dänemark – die Welt ergreift das Nudging-Fieber.
Nudging: Erste Versuche in Deutschland können nicht überzeugen
Längst gibt es aber auch viele Kritiker des Nudgings, die sagen, dass der Staat den Bürger auf versteckte Art und Weise bevormunde und manipuliere. Schließlich beruht Schubsen auf der Annahme, dass wir Menschen keine rationalen Wesen seien und nicht in der Lage, eigenständig richtige Entscheidungen zu treffen. Schon wird die Regierung zum „Nanny-Staat“.
Bevor aber erste Ergebnisse von der Arbeitsgruppe der Bundesregierung vorliegen – diese werden erst im Frühjahr erwartet – berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung von einem gerade veröffentlichten verhaltensökonomischen Experiment, durchgeführt vom RWI Leibniz Institut in Essen. Dieses hatte rund 50.000 Haushalten von Stromkunden einen Brief geschickt, mit dem zum Energiesparen animiert werden sollte. Die Wirkung war ernüchternd: Es wurde ein Einspareffekt von durchschnittlich gerade mal 0,18 % ermittelt.
Selber denken, statt denken lassen
Der deutsche Bürger scheint sich nicht gerne schubsen zu lassen. Wobei er gegenüber Information und Aufklärung sehr aufgeschlossen ist, wenn man die Wirksamkeit von Kampagnen, beispielsweise bezüglich Gesundheitsrisiken beim Rauchen, zum Vergleich heranzieht. Vielleicht erkennt die Arbeitsgruppe „Wirksam Regieren“ ja im Zuge ihrer Untersuchungen, dass wir viel vernünftiger und mündiger sind, als sie angenommen haben. Und dass wir keine Kindermädchen mehr brauchen. Das wäre wünschenswert.