Snus statt Feuer bei den Wikingern.
Bei dem Gedanken an Skandinavien kommen einem als erstes idyllische Landschaften in den Sinn. Mit roten Blockhütten, Island-Ponys und fröhlichen, blonden Menschen, die vor ihrer Sauna sitzen und Wodka trinken. Doch einige neue Entwicklungen scheinen zu diesem Bild gar nicht zu passen. Was passiert da? So streng können die dort sein? Fakt ist: Finnland möchte als erstes rauchfreies Land in die Geschichte eingehen. Und zwar schnell.
Neben einem bereits bestehenden Rauchverbot an öffentlichen Plätzen, das auch für E-Zigaretten und Inhalatoren gilt, sollen Läden künftig eine Lizenz erwerben müssen, um Tabakwaren verkaufen zu können. Das Verbot des Konsums in Mietwohnungen und sogar auf den zugehörigen Balkonen sollen die Vermieter in die Hand nehmen.
Ein anderes Bild zeichnet sich in Schweden ab, wo beinahe schon aus Tradition auf „Rauch“ verzichtet wird. Hier spielt Snus, ein Traditionsprodukt, welches am ehesten mit Kautabak verglichen werden kann, eine besonders große Rolle. Die kleinen Beutelchen mit Tabak, die unter die Oberlippe geschoben werden, schlagen in Sachen Beliebtheit die klassische Zigarette seit Jahren um Längen.
Grund genug für REE:THINK, einmal genauer auf die Nachbarn im Norden zu blicken:
Im hohen Norden – Finnland gehört ja streng genommen nicht zu Skandinavien – werden alle Themen rund um Gesundheit stark vom Staat beeinflusst und reglementiert. Das gilt z. B. auch für Alkohol, wie jeder Urlauber sicherlich schon einmal an den Preisen und der eingeschränkten Verfügbarkeit feststellen konnte. Interessanterweise reagieren die Bürger in Norwegen, Schweden und Finnland auf Nachrichten dieser Art ganz anders als beispielsweise in Deutschland: Wenn der Staat etwas für richtig hält, dann ist das für die Nachbarn im Norden auch maßgeblich. Das wird dann so akzeptiert, anstatt für die eigenen Rechte oder die eigene Entscheidungsfreiheit zu kämpfen. Der Nanny State ist willkommen.
Aber es ist nicht so, dass Raucher schräg angesehen werden. Raucher sind gesellschaftlich nach wie vor völlig akzeptiert. Demgegenüber stehen die strengen Regularien und Bemühungen des Staates und der – wie erwähnt – interessanterweise relativ schwache Protest gegen diese strengen Regularien.
Es gibt natürlich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten. In Finnland oder Norwegen, sagt man, findet wenig Debatte statt, die Menschen nehmen die Dinge, die die Politik für sie entscheidet, grundsätzlich eher an. Der Schwede an sich sei da schon eher diskutierfreudig, ebenso wie der Däne, auch „Italiener des Nordens“ genannt. Das ist schlicht und einfach wohl eine Mentalitätssache.
Das spiegelt sich auch wider in den gesundheitlichen Zielen der Regierungen: Finnland strebt bis zum Jahr 2030 an, komplett nikotinfrei zu werden – das schließt nicht nur Zigaretten ein, sondern auch das Verbot von tabakfreien Produkten wie E-Zigaretten. Norwegen hingegen soll bis 2050 tabakfrei werden – da wären E-Zigaretten dann noch gestattet. Der schwedische Nachbar sieht das ein Stück lockerer und verfolgt die Strategie, zumindest rauchfrei zu werden, dafür können dann alternative Tabakprodukte wie Snus legal weiter konsumiert werden.
Snus – die skandinavische Antwort auf die Frage nach Alternativen
Natürlich schauen sich auch die Konsumenten in den skandinavischen Ländern nach Alternativen um, wie in weiten Teilen Europas gibt es dort einen Trend zu E-Zigaretten. Aber ein ganz anderes Produkt ist der wahre Schlager, zumindest in Schweden und Norwegen: Snus.
- Snus ist ein sogenannter Oraltabak und hat in Skandinavien eine lange Tradition.
- Die älteste Sorte gibt es bereits seit 1822.
- Snus ist jedoch nur in Norwegen und Schweden zugelassen, nirgendwo sonst.
- Der Kautabak ist in den besagten Ländern beliebter als herkömmliche Tabakprodukte. Das liegt auch daran, dass Snus nicht inhaliert wird und dies dem skandinavischen Konsumenten als Alternative zu klassischen Rauchwaren gefällt.
Tatsächlich sind alternative Nikotin-Produkte wie Snus dort gesellschaftlich besser akzeptiert als klassisches Rauchen, da sie nach Ansicht der Konsumenten weniger gesundheitliche Risiken enthalten.
Snus – konstruktive Auseinandersetzung erwünscht. Mythen ade!
Im Zusammenhang mit Snus geistern gelegentlich Begriffe wie „Trenddroge“ oder „Modedroge“ durch die deutsche Medienlandschaft. Das kommt daher, dass einige Leistungssportler, auch namhafte Fußballspieler aus den Profiligen, gewollt oder ungewollt mit dem Snus-Konsum in Verbindung gebracht werden.
Fakt ist, dass der bereits seit dem 19. Jahrhundert beliebte rauchfreie Tabak zu einem drastischen Rückgang der Raucherquote in Schweden geführt hat, nämlich auf nur fünf Prozent.
Logisch, dass immer mehr Konsumenten, die auf der Suche nach risikoärmeren Alternativen zur klassischen Filterzigarette sind, Gefallen an Snus finden. Umso erstaunlicher, dass außerhalb Norwegens und Schwedens der Handel mit Snus nach wie vor verboten ist, wie jüngst von der EU in Brüssel bestätigt wurde.
Reden ist Gold – die Chance liegt im Dialog
Bei den „erzieherischen Maßnahmen“ beschränkt man sich auch in Skandinavien längst nicht mehr nur auf Tabak oder Alkohol, sondern schließt auch Fette und Zucker mit ein. Die Reaktion darauf ist häufig: „Die haben ja recht, eigentlich müsste ich viel besser auf mich achten …“
Allerdings treten die Skandinavier kaum in den Dialog mit Experten, z. B. aus Industrie und Wissenschaft, und somit bleiben die Informationen und die Meinungsbildung sehr einseitig. Denn im Dialog und im Bereitstellen von Information und Aufklärungsmöglichkeiten liegen Chancen, die regulierende Maßnahmen überflüssig machen können. Stattdessen können sie das selbstständige Denken, die Meinungsvielfalt und die persönliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen stärken.
Sicherlich waren die Entwicklungen in Skandinavien so abzusehen. Das Tempo, mit dem die Themen Fahrt aufnehmen, ist allerdings überraschend. 2030 als Ziel für ein rauchfreies Finnland ist extrem zeitnah. Bleibt zu hoffen, dass zugunsten des Zeitfaktors die sinnvollen Argumente nicht aus den Augen verloren werden, die z. B. eine Lockerung der Zulässigkeit von alternativen Produkten wie Snus ermöglichen könnten.
So würde auch unsere idyllische Vorstellung von Skandinavien Wirklichkeit bleiben.