E‑Zigarette: Politische Debatte durch wenig Wissen bestimmt
Sinnvolle Alternative zum Tabakkonsum, Ausstiegshilfe oder nichts von beidem? Im Bundestag wird über die E‑Zigarette seit Jahren kontrovers diskutiert. Obwohl inzwischen mehr als 9.000 Untersuchungen zur E‑Zigarette vorliegen, herrscht bei vielen Politikern noch immer Unkenntnis über die wissenschaftliche Faktenlage zur E‑Zigarette. Das Resultat: Für die E‑Zigaretten gelten trotz erwiesener geringerer Schädlichkeit die gleichen gesetzlichen Regularien wie für Zigaretten.
In ihrem Drogen- und Suchtbericht vom Juli 2017 hatte sich die Bundesregierung eigentlich eindeutig positioniert: „E-Zigaretten sind im Vergleich zu Tabakzigaretten deutlich weniger schädlich, aber sie sind auch keine harmlosen Lifestyleprodukte.“ Damit greift die Bundesregierung einen Fakt auf, den die britische Regierungsagentur Public Health England bereits 2015 meldete und kürzlich wie folgt erneut bestätigte:
„Die E-Zigarette ist zu 95 % weniger schädlich als das Rauchen.“*
Der FDP-Gesundheitspolitiker Dr. Wieland Schinnenburg, drogenpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag, hält die E-Zigarette vor diesem Hintergrund für weniger problematisch als die Tabakzigarette. „Nach allem, was ich vorher gelesen habe, ist es so, dass Elektro-Zigaretten auch Schaden anrichten, aber deutlich weniger als klassische Zigaretten. Und da gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, gegen die vorzugehen“, so Schinnenburg bei einer Veranstaltung Mitte April in Berlin.
Noch deutlicher äußerte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held im Gespräch mit dem Bündnis für Tabakfreien Genuss: „Ich kenne ganz viele Menschen aus meinem Wahlkreis und darüber hinaus, die durch die E-Zigarette von der herkömmlichen Zigarette weggekommen sind. Das war eine Riesenhilfe. Ich habe gerade vorhin vor dem Reichstag wieder einen Polizisten getroffen, der über 20 Jahre geraucht hat und jetzt die E-Zigarette hat, und da muss es auch weiterhin in Zukunft möglich sein, mit gewissen Zusatzstoffen zu arbeiten, damit man einfach vom Tabak wegkommt.“
E-Zigaretten im deutschen Tabakerzeugnisgesetz wie herkömmliche Zigaretten reguliert
Schon heute halten viele Experten aus der Wissenschaft die geltende Gesetzeslage – die zwischen Produkten mit und ohne Tabak nicht unterscheidet – für antiquiert. Professor Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung der Fachhochschule Frankfurt am Main plädiert daher für eine Differenzierung, um die E-Zigarette als weniger schädliche Alternative für Raucher attraktiv zu machen. So müssten sowohl die Besteuerung als auch die Werbe-Restriktionen überdacht werden.
Erste Stimmen in diese Richtung gibt es im Parlament in Großbritannien. Stephen Metcalfe, Abgeordneter des britischen Unterhauses, hält Werbung für E-Zigaretten auf den Schachteln für Tabakzigaretten für eine gute Idee – bisher ist dies nicht möglich.
Deutsche Politiker tun sich mit differenzierter Regulierung noch schwer
Die drogenpolitische Sprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, ist zwar für die Freigabe von Cannabis, aber gegen E-Zigaretten: „Auch E-Zigaretten enthalten Nikotin, ein starkes Suchtmittel. Auch E-Zigaretten verleiten Jugendliche zum Rauchen. Eine unabhängige differenzierte Gefährdungseinschätzung im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten liegt noch nicht vor. Ob sie als Hilfsmittel zur Rauchentwöhnung für erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten genutzt werden kann, ist umstritten.“
Genau das aber hatte Public Health England explizit empfohlen und wurde ebenso von Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer im Februar 2016 bestätigt. Auf Expertenladung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft stellte Mayer fest: „E-Zigaretten haben ein historisch einzigartiges Potenzial zur Tabakprävention. Erstmals steht Rauchern eine funktionierende Alternative für den Ausstieg aus dem Tabakkonsum zur Verfügung.“ Der Professor empfiehlt daher: „Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sollte der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um die Motivation von Rauchern zum Umstieg zu erhöhen und die Entwicklung und Verbreitung attraktiver E-Zigaretten zu fördern.“
Die Grünen-Politikerin Kappert-Gonther will dagegen die Werbung für E-Zigaretten wie die für Zigaretten ganz von Plakatwänden verbannen: „Eine wirksame Präventionsmaßnahme, für die ich mich einsetze, ist das Verbot der Außenwerbung für Tabakprodukte, das in allen anderen EU-Ländern bereits besteht. Für den Gesundheitsschutz ist es am besten, mit dem Rauchen gar nicht erst anzufangen.“
Fazit:
Noch sind nicht alle Fakten über die Vorteile der E-Zigarette gegenüber klassischen Tabakprodukten bekannt und es besteht noch Bedarf an Aufklärung– daher werden Produkte mit und ohne Tabak in Deutschland in Sachen Werbung immer noch identisch reguliert. Doch die Zahl der Entscheider, die E-Zigaretten als eine weniger schädliche Alternative für erwachsene Raucher sehen, wächst bei den staatlichen Stellen. Der Grund dafür ist eine breite, unabhängige Studienlage.
*Quelle: “Ecigarettes report: a new foundation for evidence-based policy and practice” (Public Health England, 2015)