22 Nov 2024

Epidemiologie der E‑Zigarette: Populäre Studien oft fehlerhaft

Durch die zuneh­men­de Ver­brei­tung der E‑Zigarette wer­den wissen­schaftliche Daten immer wich­ti­ger. Nur so kön­nen Kon­sum­ver­läu­fe ange­mes­sen bewer­tet wer­den. Gesund­heits­fach­leu­te, Regu­lie­rer, aber auch Patient:innen nut­zen die­se Daten, um Ent­schei­dun­gen für sich oder für ande­re zu tref­fen. Des­halb müs­sen und soll­ten sowohl die Daten selbst als auch deren Her­lei­tung wis­sen­schaft­lich kor­rekt sein. So weit, so ein­leuch­tend. Nun zeigt eine umfas­sen­de Ver­gleichs­stu­die jedoch, dass vie­le der popu­lärs­ten Stu­di­en zur E‑Zigarettennutzung, die einen kri­ti­schen Blick auf den Kon­sum wer­fen, oft von ähn­li­chen metho­di­schen Feh­lern geprägt sind.

Umfassendste Analyse ihrer Art

Am 24. März 2022 veröffentlichte ein Team von Wissenschaftler:innen um den italienischen Professor Riccardo Polosa von der Universität Catania eine Studie mit dem Titel „Analysis of common methodological flaws in the highest cited e-cigarette epidemiology research”*. Polosa ist Professor für Innere Medizin, renommierter Spezialist für Atemwegserkrankungen und klinische Immunologie an der Universität von Catania und Gründer des Zentrums für Tabakforschung. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Themenkomplex „Tobacco Harm Reduction“, also der Minderung negativer gesundheitlicher Auswirkungen des Konsums herkömmlicher Tabakprodukte, etwa durch potenziell weniger schädliche Alternativen wie die E-Zigarette.

Polosa selbst beschreibt die vorliegende Studie auf Twitter als „[...] umfassendste jemals veröffentlichte Analyse der häufigsten methodischen Fehler in der E-Zigarettenforschung“. Das Team von Wissenschaftler:innen analysiert darin die häufigsten methodischen Fehler in den 24 meistzitierten Forschungsarbeiten zur Epidemiologie der E-Zigarette. Dabei stehen die konkreten Fragestellungen, die Methodik, die Umsetzung, die Diskussion und das daraus gezogene Fazit im besonderen Fokus der Untersuchung. Denn nur eine zusammenhängende und einheitliche Betrachtung könne laut Polosa hier ein unverzerrtes Bild zeichnen.

Erstaunliche Ergebnisse

Die Vergleichsuntersuchung zeigt auf, dass viele der darin berücksichtigten Studien zur E-Zigarette und zu ihrem Konsum unzureichende oder gar keine Arbeitshypothesen beinhalten würden. Dabei ist zu unterstreichen, dass es Studien, die eine solche Arbeitshypothese vermissen lassen, oft an den korrekten Forschungsmethoden fehlt, um zum einen die eigentliche Forschungsfrage und zum anderen die daran anknüpfende Hypothese zu beantworten. Zudem kritisieren die Autor:innen, dass in einigen der untersuchten Studien Daten erhoben und genutzt worden seien, die zum Teil für die Forschungsmethodik irrelevant seien.

Generell würden auch viele Datenanalysen unvollständig durchgeführt, da zum Beispiel Störfaktoren außer Acht gelassen werden. Dies untergräbt letztendlich den Anspruch, eventuelle kausale Zusammenhänge transparent und vor allem vollständig abbilden zu wollen und zu können. Viele der in den untersuchten und oft zitierten Studien präsentierten Diskussionsergebnisse seien nach Einschätzung der Expert:innen in der Folge irreführend, da sie eben oft nicht darlegen würden, welche kausalen Zusammenhänge wie überhaupt existieren sollten. Dennoch werden sie oft einfach postuliert.

Beispiel: E-Zigarette und Rauchstopp

Professor Polosa und seine Co-Autor:innen weisen in ihrer Untersuchung darauf hin, dass viele Studien zum Beispiel zum Thema Rauchstopp bzw. zur Reduzierung des Konsums herkömmlicher Tabakprodukte in weiten Teilen außer Acht ließen, dass die Nutzung von E-Zigaretten (Vaping) als Ausstiegsstrategie die Anzahl an Versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, steigern könne – und damit auch die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg. Ebenso würden in diesen Studien Teilnehmer:innen, die durch das Vaping bereits erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört haben, ausgeschlossen, sodass die schlussendlich interessante Zahl an Personen, die mit dieser Methodik tatsächlich erfolgreich gewesen sind, gesunken sei.

Hinzukommt, dass Studien, die die gesundheitlichen Folgen des E-Zigarettenkonsums bei ehemaligen Rauchern untersuchten, oftmals etwaige Vorerkrankungen nicht genug berücksichtigten. Dadurch würde den Folgen des Vapings eine zu große und damit verzerrende Rolle zugeschrieben, zumal nicht klar von gesundheitlichen Folgen des Rauchens unterschieden werden kann.

Konventionelle Forschungsmethoden vs. Moderner Verbraucherschutz

Professor Polosa und seine Mitautor:innen kommen zu dem Schluss, dass sich insbesondere Studien zur sogenannten „Gateway-Theorie“ – also dem Einstieg in den Tabakzigarettenkonsum über die Nutzung der E-Zigarette – als unzuverlässig darstellen. Ihre Daten würden die ausgewiesenen Ergebnisse oft nicht stützen. Aus Sicht der Expert:innen spricht dies vor allem dafür, dass die Nutzung konventioneller epidemiologischer Methoden zur Erforschung kausaler Zusammenhänge in Bezug auf den Konsum etwa von E-Zigaretten nicht geeignet seien.