22 Nov 2024

Brüssels gesundheitspolitische Strategie: EU-Kommission nimmt einkommensschwache Raucher in den Fokus

Schon seit Län­ge­rem beur­teilt die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on die Wirt­schafts­po­li­tik der EU-Mit­glied­staa­ten in län­der­spe­zi­fi­schen Emp­feh­lun­gen. Nun hat sie Ende Novem­ber auch für die Gesund­heits­sys­te­me der Mit­glie­der 28 län­der­spe­zi­fi­sche Gesund­heits­pro­fi­le, soge­nann­te „Län­der­pro­fi­le Gesund­heit“, vor­ge­legt. In ihnen bewer­tet sie die Leis­tungs­fä­hig­keit der natio­na­len Gesundheitssysteme.

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis nahm die Präsentation der Datensammlungen zum Anlass, für einen neuen Ansatz bei der Bekämpfung vermeidbarer Gesundheitsrisiken zu plädieren. Dieser Kampf müsse künftig auf möglichst vielen Politikfeldern stattfinden. Hier kommen Gesundheitsprofile ins Spiel.

Deutsche Gesundheitsausgaben weit über EU-Durchschnitt

Deutschland bescheinigt die Kommission außerordentlich hohe Gesundheitsausgaben. Mit fast 4000 Euro pro Kopf im Jahr 2015 hätten diese 43 Prozent über dem EU-Durchschnitt gelegen. Dennoch liegt die Lebenserwartung eines Deutschen bei Geburt mit 80,7 Jahren nur im EU-Durchschnitt und stieg in den vergangenen Jahren langsamer als in den meisten anderen Ländern.

Weitgespanntes Ziel

Der litauische Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis klagt: „Dass wir nur drei Prozent unserer Gesundheitsbudgets für Prävention ausgeben, im Vergleich zu 80 Prozent für die Behandlung von Krankheiten, reicht einfach nicht aus.“ Nötig sei es nunmehr, Gesundheitsförderung und Prävention „in allen Politikbereichen“ zu verankern.

Klassiker der EU-Vorbeugungspolitik ist der Feldzug gegen das Rauchen. Im Gesundheitsprofil für die Bundesrepublik urteilt sie: „Unter allen verhaltensbedingten Risikofaktoren tragen eine schlechte Ernährung und Rauchen am stärksten zu einem schlechten Gesundheitszustand in Deutschland bei.“ Rauchen sei unter Bevölkerungsgruppen mit einem niedrigeren Bildungsstand oder Einkommen mehr verbreitet als unter anderen.

Unter anderem daraus leitet die Kommission nun das weitgespannte Ziel ab, Bildungs- und Sozialpolitik in den Dienst der Gesundheitsprävention zu stellen: „Abgesehen von den unzureichenden Investitionen in Präventionsmaßnahmen gilt es auch, soziale Ungleichheiten zu bekämpfen, die in Unterschieden bei der Krebsvorsorge oder dem Ausmaß körperlicher Aktivitäten von Menschen mit höherem und niedrigerem Einkommen und Bildungsstand sichtbar werden.“

Schwieriges Thema für Juncker

Tarifverhandlungen im Zeichen der Volksgesundheit? Bildungsreformen zur Stärkung der Abwehrkräfte? Anfang nächsten Jahres sollen die EU-Mitgliedstaaten in den Meinungsaustausch über Schlussfolgerungen aus den Gesundheitsprofilen eintreten. Zurückhaltung dürfte sich dabei vermutlich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auferlegen. Er ist weder als einkommens- noch bildungsschwach bekannt, dafür aber als Raucher.

Möglicherweise erinnert er sich an seine eigene Mahnung in seiner jüngsten Rede zur Lage der Europäischen Union: „Wir sollten die Bürger Europas nicht mit Regelungs-Klein-Klein nerven, sondern in großen Dingen Größe zeigen, nicht pausenlos neue Initiativen vom Zaun brechen und Befugnisse, dort wo es sinnvoll ist, an die Nationalstaaten zurückgeben.“