Dampfen und Rauchen – was sagt die Wissenschaft?
Alle paar Wochen ist es wieder so weit: Eine Behörde oder Interessenvertretung wird in den Medien zitiert und stellt nicht nur das Rauchen, sondern auch gleich sämtliche Alternativen zum Nikotinkonsum in Frage, zum Beispiel die E‑Zigarette und das “Dampfen”. Zuletzt machte die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS) mit einer Pressemitteilung Schlagzeilen. Fazit der Meldung: „Die DHS sieht die E‑Zigarette eindeutig als Suchtmittel. Es ist derzeit kein positiver Effekt von E‑Zigaretten in der Gesamtbevölkerung zu sehen, weder für Nichtrauchende, die in der Gesamtbevölkerung mit 75 Prozent die Mehrheit darstellen, noch für die meisten Tabakrauchenden.“1
Wer sich die Quellen für diese These ansieht, stellt rasch fest, dass viele Aussagen selbstreferenziert sind oder auf Studien mittlerweile umstrittener Wissenschaftler wie Stanton Glantz aus Kalifornien beruhen. Das ist schade, denn das Potenzial alternativer Produkte wird damit von vornherein negiert und eine Diskussion generell abgelehnt. Dabei konstatieren Experten wie der Frankfurter Suchtforscher Heino Stöver: „Es ist ganz klar zu formulieren, dass die E-Zigarette und Tabakerhitzer nicht harmlos sind, aber eine weniger schädliche Alternative zum Weiterrauchen darstellen, wenn anders der Verzicht auf die weit gefährlichere Tabakzigarette nicht gelingt.“2
Auch Dr. Thomas Nahde, Senior Science Engagement Officer DACH & Nordics bei Reemtsma, hofft, dass Tabakerhitzer und E-Zigaretten in Deutschland zunehmend als sinnvolle Rauchalternativen anerkannt werden. „Rund ein Viertel der Bundesbürger raucht und nimmt mit jedem Zug an einer Tabakzigarette schädliche oder potenziell schädliche Substanzen auf, die bei der Verbrennung von Tabak entstehen. Studien zeigen, dass selbst bei einem im ersten Schritt zunächst nur teilweisen Umstieg auf potenziell weniger schädliche Alternativen wie die E-Zigarette der Anteil an Schadstoffen aus der Verbrennung deutlich verringert werden kann“, so Dr. Thomas Nahde.
Studie mit "Dual Usern"
Eine neue Studie aus den USA, veröffentlicht im Fachmagazin "The Lancet", unterstreicht diese Aussagen. Ein Forscher-Team vom Penn State College of Medicine und der Virginia Commonwealth University untersucht darin, wie sich das "Dampfen" von E-Zigaretten auf die Gesundheit von Rauchern auswirkten. Studienautor Jonathan Foulds, Professor für öffentliche Gesundheit, Psychiatrie und gesundheitsbezogene Verhaltensforschung, fasst zusammen: „Für unsere Studie haben wir Raucher begleitet, die nicht mit dem Rauchen aufhören wollten, aber ihren Zigarettenkonsum einschränken wollten und zur Unterstützung E-Zigaretten mit einer zigarettenähnlichen Nikotinabgabe erhielten. Das Ergebnis: Die Teilnehmer nahmen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine signifikant geringere Menge schädlicher Substanzen auf.“
Zu dieser Erkenntnis waren grundsätzlich schon zuvor zahlreiche Wissenschaftler gelangt. Das Neue an der jetztigen Studie: Die Studienteilnehmer waren Raucher, die mindestens zehn Zigaretten täglich konsumierten und die eben nicht vollständig mit dem Rauchen aufhören wollten. Sie bekamen eine E-Zigarette, die 0, 8 oder 36 Milligramm* Nikotin je Milliliter Liquid enthielten. Die E-Zigaretten mit dem höchsten Nikotingehalt kamen dabei der Nikotinabgabe klassischer Tabakzigaretten sehr nah. Eine vierte Gruppe erhielt zigarettenförmige Plastikröhrchen, die keinerlei Stoffe abgaben. Alle 520 Teilnehmer wurden über den Zeitraum von 24 Wochen beobachtet. Dabei wurde insbesondere der Urin der Probanden regelmäßig auf das tabakspezifische Nitrosamin 4-(Methylnitrosamino)-1-(3-Pyridyl)-1-Butanol (abgekürzt als NNAL) untersucht.
Abgabeprofil entscheidend
Die Resultate waren eindeutig: Die NNAL-Werte insbesondere in der Gruppe der 36-Milligramm-Dampfer waren nach Ablauf der 24 Wochen deutlich niedriger als in der Vergleichsgruppe, die keine E-Zigarette genutzt hatten. Das immer wieder – auch in Deutschland – verbreitete Narrativ, der sogenannte „dual use“, also das parallele Tabakrauchen und Dampfen, sei generell noch erheblich schädlicher als das reine Rauchen, stimmt so nicht. Vielmehr, so Foulds, müsse man berücksichtigen, dass Raucher „bei effektiver Nikotinabgabe durch E-Zigaretten größere Erfolge beim Reduzieren ihres Rauchens und der tabakbedingten Schadstoffbelastung“ erführen.
Caroline Cobb, Associate Professor für Psychologie an der Virginia Commonwealth University und Hauptautorin der Studie, ergänzt: „Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, das Profil der Nikotinabgabe von E-Zigaretten zu charakterisieren.“ Wenn man die entsprechenden Profile genau kenne, könne man viel konkretere Aussagen darüber treffen, wie effektiv E-Zigaretten gerade Doppel-Nutzer beim Ändern des Rauchverhaltens unterstützen. Zwar seien weitergehende Studien notwendig, heißt es in dem Lancet-Beitrag. Letztendlich aber würden die Ergebnisse zu besser begründeten Maßnahmen einer zielorientierten Tabakregulierungspolitik führen.
„Generell ist der vollständige Verzicht aufs Rauchen oder den Konsum von Nikotin ohne Frage die beste Möglichkeit für Raucher ihre Gesundheit zu verbessern“, so Dr. Thomas Nahde. „Für diejenigen Raucher, die jedoch keinerlei Interesse an einem Rauchstopp haben und ansonsten eben einfach weiter rauchen würden, können Tabakerhitzer oder E-Zigarette eine potenziell weniger schädliche Alternative darstellen.“
*Hinweis: Ein Nikotingehalt von mehr als 20 Milligramm Nikotin je Milliliter ist in der Europäischen Union nicht zulässig.