22 Nov 2024

Literaturanalyse: E‑Zigarette ist die weniger schädliche Alternative zum Rauchen

Wenn es um den Ver­gleich zwi­schen dem Rau­chen klas­si­scher Tabak­wa­ren und dem Damp­fen von E‑Zigaretten geht, ver­tre­ten bri­ti­sche Behör­den eine kla­re Linie: „Es gibt noch viel zu tun, um Rau­cher zu beru­hi­gen, dass Damp­fen zwar nicht risi­ko­los ist, aber weni­ger schäd­lich als Rau­chen. Wenn Sie rau­chen, könn­te der Umstieg auf eine E‑Zigarette Ihr Leben ret­ten“, erklärt etwa Mar­tin Dock­rell, Lei­ter der Tabak­kon­trol­le bei Public Health Eng­land. Und selbst kla­re Tabak­geg­ner wie Cli­ve Bates, ehe­ma­li­ger Direk­tor der bri­ti­schen Nicht­rau­cher­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on Action on Smo­king and Health (ASH), machen sich für den Kon­sum von E‑Zigaretten als risi­ko­är­me­re Alter­na­ti­ven zum Tabak stark: „Die Ethik von Anti-Vaping-Akti­vis­ten, die die Risi­ken von Alter­na­ti­ven zum Rau­chen über­trei­ben, ist eben­so ver­ach­tens­wert wie Tabak­un­ter­neh­men der 1970er-Jah­re, die die Risi­ken des Rau­chens bestritten.“

Jetzt beleuchtet eine neue Studie des COT (Committee on Toxicity of Chemicals in Food, Consumer Products and the Environment) im Auftrag des Department of Health and Social Care (DHSC) and Public Health England (PHE), erneut die gesundheitlichen Risiken, die langfristig vom Konsum von E-Zigaretten ausgehen könnten.

Fünf relevante Inhaltstoffe

In der kürzlich vorgelegten Studie haben die Autoren bereits veröffentliche Untersuchungen zusammengetragen, um die Risiken der in den Liquids von sogenannten ENDS (Electronic Nicotine Delivery Systems) und E(N)NDS (ohne Nikotin) genauer eingrenzen zu können. Dabei identifizierten die Wissenschaftler Feinstaub, Propylenglykol, Glycerin, Nikotin und Aromen als relevante Bestandteile neben weiteren Inhaltsstoffen.

Zusammenfassung der Daten zu möglichen Gesundheitsrisiken

Die Ergebnisse wurden dabei jeweils in einem Fazit zusammengefasst.

Feinstaub: Zu den Risiken wurde keine abschließende Bewertung abgegeben. Es bestünde „erhebliche Unsicherheit“ über die Gefährdung der Nutzer und von Passiv-Dampfern.

Propylenglykol: Die Wissenschaftler halten gesundheitsschädliche Auswirkungen bei Anwendern, die kurz- bis mittelfristig PG aus E(N)NDS ausgesetzt waren, für wenig wahrscheinlich. Die Auswirkungen wiederholter Langzeitexpositionen seien jedoch nicht bekannt. Es sei unwahrscheinlich, dass verdampftes Propylenglykol ein Risiko für umstehende Personen darstelle.

Glycerin: Für Glycerin gilt der Studie zufolge das gleiche wie für Propylenglykol.

Nikotin: Zu den Nebenwirkungen von Nikotin gibt es naturgemäß die meisten Untersuchungen. Im Wesentlichen stellten die COT-Wissenschaftler fest, dass für E-Zigaretten mit Blick auf Nikotin das gleiche Risiko bestehe wie bei Tabakwaren. Da jedoch eine ganze Reihe von Faktoren das Ausmaß der Nikotinaufnahme beeinflussten, seien eindeutige Schlussfolgerungen nur schwer ableitbar. Insbesondere eine Doppelnutzung (Tabak und ENDS) könne jedoch zu einer erhöhten Nikotinexposition führen. Zudem könnten Umstehende Nikotindämpfen in der Umgebungsluft ausgesetzt sein.

Aromen: Zu den Geschmacksstoffen, die in E-Liquids verwendet werden, liegen bislang nicht allzu viele Studien vor, sodass die Autoren auch hier keine abschließende Stellungnahme abgaben. Fest stehe, dass etwa Menthol, Vanillin, Zimtaldehyd und Menthon häufig verwendete Aromastoffe seien und unter Umständen haut- und augenreizend sowie nach Inhalation auch lokal und sensorisch reizend sein könnten.

Weitere Inhaltsstoffe: Dabei handelt es sich insbesondere um Verunreinigungen, wie sie bei unsachgemäßer Produktion entstehen könnten. Das COT empfiehlt in diesem Zusammenhang, nur Liquids zu verwenden, die „aus seriösen Quellen“ stammen.

Zu hochwertigen Liquids greifen

Insgesamt kommen die COT-Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Nutzung von E(N)NDS-Produkten, die gemäß anerkannter Qualitätsstandards hergestellt und als Ersatz für das klassische Rauchen verwendet werden, wahrscheinlich mit einer Verringerung des Gesamtrisikos für die Gesundheit verbunden sei. Die Risiken für umstehende Personen seien offenbar gering.

Wissenschaftler stimmen zu

Zahlreiche Wissenschaftler begrüßten die umfangreiche Literaturanalyse. So erklärte Jacob George, Professor für Herz-Kreislauf-Medizin und Therapeutik an der University of Dundee, der Bericht hebe zu Recht hervor, dass das Risiko beim Dampfen deutlich geringer sei als beim Rauchen von Tabakzigaretten. Und Dr. Nicholas Hopkinson, Atemwegsspezialist am Imperial College London, ergänzt: „Der Bericht stellt fest, dass bei Betrachten des Vergleichs des E(N)NDS-Konsums mit dem Zigarettenrauchen [...] das relative Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Gesundheit voraussichtlich erheblich geringer ist.“ Raucher, die vollständig zur E-Zigarette wechselten, würden einen erheblichen gesundheitlichen Effekt erfahren. Es sei wichtig, toxische Bestandteile in E-Zigaretten-Dämpfen zu identifizieren und zu reduzieren oder zu beseitigen, um das verbleibende Risiko so weit wie möglich zu minimieren.

Nicht risikofrei, aber deutlich weniger Schadstoffe und daher weniger gefährlich

Dieser Einschätzung stimmt Dr. Jamie Hartmann-Boyce zu. Der Wissenschaftler von der Cochrane Tobacco Addiction Group an der Universität Oxford sieht durch den neuen Bericht den aktuellen wissenschaftlichen Konsens bestätigt: „Elektronische Zigaretten erscheinen weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten, sind jedoch nicht risikofrei.“ Diese Erkenntnis stimme mit den aktuellen Empfehlungen der Behörden überein, wonach der Übergang zu elektronischen Zigaretten schlussendlich sogar beim kompletten Rauchausstieg helfen könne. Weiterer Vorteil gegenüber dem Rauchen: Aus dem Bericht geht nicht hervor, dass Umstehende durch Dampf erheblich geschädigt würden.

„Dieser Bericht bestätigt, dass Dampfen viel weniger gefährlich ist als Rauchen. Wenn Sie Raucher sind und Schwierigkeiten beim Aufhören haben, ist der Wechsel zum Vaping die beste Option“, bekräftigt denn auch Prof. Peter Hajek, Direktor der Forschungsabteilung für Tabakabhängigkeit an der Queen Mary University of London.

„Nächstliegende Option“

„Die Ergebnisse dieses neuen Berichts bestätigen, dass E-Zigaretten zwar nicht harmlos sind, aber wesentlich weniger schädlich als das Rauchen von Tabak. Diese Schlussfolgerung unterstützt nachdrücklich die britische Politik, das Dampfen als praktisches und wirksames Mittel für Raucher zu empfehlen, um Schäden durch den fortgesetzten Nikotinkonsum zu verhindern“, sagt auch Prof. John Britton, ehemaliger Direktor des britischen Zentrums für Tabak- und Alkoholstudien und Berater für Atemwegsmedizin an der Universität von Nottingham. Das Dampfen sei für Raucher, die Schwierigkeiten haben, mit dem Rauchen aufzuhören, die „nächstliegende Option“.

Tobacco Harm Reduction – das Prinzip der nächstbesten Alternative

„Der Bericht bestätigt zahlreiche Ergebnisse bisheriger Studien“, so Dr. Thomas Nahde, Leiter des Bereiches Scientific Affairs & Scientific Engagement bei Reemtsma. „Gleichwohl wird das Tobacco-Harm-Reduction-Konzept wissenschaftlich tatsächlich sehr kontrovers diskutiert. Denn richtigerweise muss eine Risiko-Reduktion durch Tobacco Harm Reduction immer auch auf Ebene der Gesamtbevölkerung und nicht allein individuell betrachtet werden. Und um es ganz klar zu sagen: E-Zigaretten sind nicht risikofrei. Die beste Möglichkeit für Raucher, ihre Gesundheit zu verbessern, ist der vollständige Verzicht auf das Rauchen sowie auf den Genuss von Tabak oder Nikotin. Der Umstieg auf potenziell weniger schädliche Alternativen wie E-Zigaretten ist für erwachsene Raucher herkömmlicher Tabakwaren, die sonst weiter rauchen würden, jedoch die nächstbeste Alternative zum Rauchen.“