22 Nov 2024

Harm Reduction als Alternative für rauchende COPD-Patienten

Eine gesun­de Lun­ge ist in die­sen Zei­ten wich­ti­ger denn je. Denn wenn unser Atem­or­gan gut funk­tio­niert, sinkt das Risi­ko einer Covi­d19-Erkran­kung mit schwe­rem Ver­lauf. Allein in Deutsch­land sind nach Schät­zun­gen von Medi­zi­nern jedoch zehn bis 12 Pro­zent der über 40-Jäh­ri­gen von der chro­ni­schen Lun­gen­krank­heit COPD (Chro­nic Obs­truc­ti­ve Pul­mo­na­ry Dise­a­se) betrof­fen.1 Das sind über 6,5 Mil­lio­nen Men­schen. Damit ist die Krank­heit häu­fi­ger als Asth­ma, Lun­gen­ent­zün­dun­gen und Lun­gen­krebs zusam­men. Tra­gisch ist, dass COPD nicht geheilt wer­den kann. Jede The­ra­pie sorgt nur dafür, dass die Aus­wir­kun­gen auf den Kör­per kon­trol­liert wer­den. Neu­ar­ti­ge Niko­tin­pro­duk­te wie Tabak­er­hit­zer und E‑Zigaretten bie­ten rau­chen­den COPD-Patient*innen erwie­se­ner­ma­ßen wirk­sa­me weil deut­lich weni­ger risi­ko­be­haf­te­te Alter­na­ti­ven zu her­kömm­li­chen Tabak­pro­duk­ten. Der sofor­ti­ge Umstieg ist daher drin­gend zu empfehlen.

Rauchstopp für viele uninteressant

Eine der wichtigsten Ursachen von COPD ist – neben Umwelteinflüssen und weiteren Faktoren – das Tabakrauchen. Jeder Facharzt rät daher COPD-Patient*innen zum sofortigen Rauchverzicht, der zweifellos für jeden Raucher und jede Raucherin die beste Möglichkeit darstellt, die eigene Gesundheit zu verbessern. Doch längst nicht alle wollen selbst in dieser Situation ohne Fabrikzigaretten oder Selbstgedrehte auskommen – tatsächlich sind etwa 80 Prozent aller Raucher*innen überhaupt nicht an einem Rauchstopp interessiert. Zudem sind Ausstiegshilfen wie arzneiliche Nikotinpflaster, Hypnose oder Akupunktur für viele Raucher*innen nicht interessant oder helfen nur bedingt bei vergleichsweise hohen Rückfallquoten.2

Im Gegensatz dazu erzielen viele Raucher*innen mit alternativen Produkten für den Nikotinkonsum wie etwa E-Zigaretten gute Ergebnisse beim Weg aus dem Konsum herkömmlicher Tabakzigaretten. Nicht umsonst wird zum Beispiel in Großbritannien die E-Zigarette als eine geeignete Methode für den Rauchstopp empfohlen.3 Auch sogenannte Tabakerhitzer sind selbst nach Einschätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums zwar bei einer „geringeren Schadstoffbelastung keineswegs harmlos“4, brächten jedoch „vermutlich eine geringere Gesundheitsgefährdung als Tabakzigaretten mit sich“ – und sind deshalb ebenfalls eine potenziell weniger schädliche Alternative zu Tabakzigaretten, bei denen Tabak für den Nikotinkonsum verbrannt und inhaliert werden muss.

Aktuelle Studien zeigen: Schneller Umstieg hilft auch COPD-Patient*innen

Aber kann ein Umstieg auf die E-Zigarette oder den Tabakerhitzer auch COPD-Erkrankten helfen? Dieser Frage ist der italienische Wissenschaftler und Mediziner Riccardo Polosa von der Universität Catania mit seinem Team in zwei Studien nachgegangen.5, 6 Und die Antwort lautet eindeutig: Ja!

In einem Fachbeitrag stellte er die Untersuchungsergebnisse zusammen, die er während einer fünfjährigen Beobachtungsperiode von denjenigen seiner Patienten erheben konnte, die regelmäßig herkömmliche Tabakprodukte geraucht haben, bevor sie auf E-Zigaretten umstiegen. Zwar ist die Zahl der begleiteten COPD-Patient*innen mit 20 relativ klein. Allerdings handelt es sich bei der Studie um eine echte Langzeit-Erhebung über mehrere Jahre. In seiner zweiten Studie hat Polosa über den Zeitraum von drei Jahren den gesundheitlichen Zustand von 38 COPD-Patient*innen verfolgt, die von Tabakzigaretten auf Tabakerhitzer umgestiegen waren.

Ergebnisse sprechen für sich

Bei denjenigen Patient*innen, die von der Tabak- auf die E-Zigarette umgestiegen waren, verschlechterte sich der Zustand über die fünf Jahre hinweg kaum noch. Stattdessen ergaben sich sogar konstante Verbesserungen der Lungenfunktion sowie mehrerer gesundheitlicher Faktoren, die mittels CAT-Score7 (COPD Assessment Tool als ein Patientenfragebogen) und 6MWD-Test8 (6-Minute Walk Distance Test als wichtiges Diagnose-Hilfsmittel im Rahmen der COPD-Behandlung) erhoben wurden. Im Vergleich zu einer weiter rauchenden Kontrollgruppe waren dies signifikante und klinisch relevante Veränderungen. Den COPD-Patient*innen, die kontinuierlich Tabak konsumierten, ging es hingegen unverändert schlecht.

Auch bei denjenigen Probanden, die zu Tabakerhitzern gewechselt waren, zeigten sich erhebliche und klinisch signifikante und relevante Verbesserungen der CAT-Scores und der 6MWD zu allen drei Zeitpunkten, an denen Nachuntersuchungen erfolgten. Auch in dieser Studie, so stellten Polosa und seine Co-Autoren fest, wurden „keine signifikanten Veränderungen bei COPD-Patienten beobachtet, die weiterhin rauchten“ 5.

Zwei wichtige Erkenntnisse

Zwei Aspekte stechen bei der Betrachtung der Studienergebnisse besonders heraus.

  1. Zum einen können – auch und gerade in einer gesundheitlichen Stresssituation – Rauchalternativen wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer beim Rauchstopp helfen. Einige der Studienteilnehmer*innen reduzierten ihren täglichen Zigarettenkonsum erheblich, die meisten wechselten sogar vollständig zu den potenziell risikoreduzierten Produkten.
  2. Zum anderen können E-Zigaretten und Tabakerhitzer positive Auswirkungen auf den gesundheitlichen Allgemeinzustand von COPD-Patient*innen haben, die von der Zigarette auf diese Produkte umsteigen und aufhören zu rauchen.

Diese Erkenntnisse sind wichtig, zumal viele COPD-Patient*innen keinerlei Interesse zeigen, mit dem Rauchen aufzuhören oder es auch nur zu reduzieren. Damit wird die wissenschaftliche Erkenntnis der englischen Gesundheitsbehörde Public Health England, dass die Nutzung dieser Alternativprodukte mindestens 95 Prozent weniger schädlich sei als der Konsum von Tabakzigaretten9, erneut unterstrichen.

Dr. Thomas Nahde, Head of Scientific Affairs & Science Engagement DACH & Nordics bei Reemtsma, macht zwar deutlich, dass weitere Untersuchungen, insbesondere mit umfangreicheren Kohorten, notwendig seien. Aber:

„E-Zigaretten und Tabakerhitzer werden in Deutschland oft in ein schlechtes Licht gerückt. Und das aus meiner Sicht zu unrecht. Denn insbesondere für Ärzte und deren rauchende Patienten, sind diese Ergebnisse wichtig. Denn welche Optionen bleiben Patienten und Behandlern, wenn kein Interesse an einem vollständigen Rauchstopp besteht? Der ‘Quit or Die‘-Ansatz hilft in diesen Situationen ja nicht weiter. Ärzte, die chronische Lungenerkrankungen wie COPD behandeln, sollten sich daher unbedingt über die Studienlage zu diesen neuartigen Nikotin-Erzeugnissen informieren, um ihre rauchenden Patienten gegebenenfalls auf diese Rauchalternativen hinweisen und sie entsprechend beraten zu können. Bestenfalls verzichten die Patienten natürlich zum Wohle ihrer Gesundheit komplett aufs Rauchen und jedweden Nikotinkonsum.“