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01.03.2018

Inspi­ra­ti­on durch Inha­la­ti­on: Robert Men­as­se und sein Lob des Rauchens

Interview mit Bedingung

Anfang dieses Jahres präsentierte der „Spiegel“ Menasse und seine ebenfalls preiswürdig schriftstellernde Schwester Eva im Doppelinterview. Es begann mit der Information, dass Menasse sich für das Gespräch einen Ort ausbedungen habe, an dem er rauchen könne. Man einigte sich darauf, ihn die Berliner Altbauwohnung seiner Schwester vollqualmen zu lassen.
Menasse ist nicht nur ein leidenschaftlicher Raucher, sondern auch ein sehr lautstarker. Großdichter soll man am besten für sich selbst sprechen lassen, da ihre Meisterschaft des Wortes unerreicht ist. Daher hier ein kleiner Überblick der starken Sprüche Menasses übers Rauchen:

Gang in die Kälte

Dem österreichischen „Standard“ sagte er im Dezember 2017: „Dieses Getue ums Rauchen, die Hysterie: Was? Du rauchst noch? Wie viel rauchst du? Das finde ich schon ziemlich nervig. Umgekehrt nerve ich niemanden mit meinem Rauchen. Entweder rauche ich bei der Arbeit, da bin ich allein in meinem Zimmer, oder ich gehe in eines der letzten Rauchercafés, und da muss ja ein Nichtraucher nicht hineingehen.“ Zusätzlich wies er im Standard-Interview auf eine überraschende neue Gesundheitsgefahr des Rauchens hin: „Wenn man extra hinausgehen muss, dann raucht man gleich mehrere. Dabei verkühlt man sich.“ Womöglich noch verblüffender ist seine Erkenntnis über die Wirkung von Rauchverboten auf die Nationalkultur: „Das erste Land, das ein absolutes Rauchverbot eingeführt hat, war Irland. Bis dahin hatte Irland die meisten Literaturnobelpreisträger. Seither habe ich nichts mehr von der irischen Literatur gehört.“

Blick in die Seele der EU

Der deutschen „Tageszeitung“ vertraute Menasse im Oktober 2017 an, er hätte seinen Roman „Die Hauptstadt“ gar nicht schreiben können, wenn das absolute Rauchverbot in Belgien nicht erst 2015, sondern schon am Anfang seiner Recherchen in Kraft getreten wäre. Wichtig für seine Nachforschungen über die Seele der EU sei ein Café nahe dem Hauptsitz der EU-Kommission gewesen: „Das war ein Treffpunkt von europäischen Journalisten und Beamten. Man hat dort nach der Arbeit diskutiert, sich ausgetauscht, belgisches Bier getrunken und geraucht.“ Ein paar Monate nach dem Rauchverbot habe das Lokal geschlossen. Wäre er also Anfang 2016 mit Rechercheabsichten nach Brüssel gekommen, „hätte es dieses Café mit seinem enormen Informationsfluss gar nicht mehr gegeben“.

Brüsseler Tricks

In einem Suhrkamp-Video auf YouTube berichtet Menasse darüber, dass er Tricks der Raucher unter den Eurokraten nicht erfunden, sondern von der Wirklichkeit abgeguckt habe, zum Beispiel das Abmontieren oder Zukleben von Rauchmeldern in ihren Büros: „Ich bin ein fantasiebegabter Mensch. Aber das hätte ich mich nicht getraut zu schreiben, wenn ich das nicht wirklich gesehen hätte.“ Man könne in Brüssel auch immer wieder Menschen beim Rauchen auf Feuerleitern von EU-Gebäuden erblicken oder an offenen Fenstern ihrer Büros.

Dichtung und Wahrheit, Richtung und Klarheit

Andere Brüssel-Besucher mögen diese Beobachtung nicht gemacht haben. Im Geist des Schriftstellers dürfen sich Dichtung und Wahrheit ohnehin vermengen. Eines jedenfalls ist gewiss: Rauchen spielt für Menasse eine große Rolle. Für seine Inspiration braucht er Inhalation.

Unser Ree:Think: Es braucht Mut, der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung zu widersprechen. Wir finden es erfrischend, dass es auch heute noch große Literaten gibt, die über ihre Verbindung zum Rauchen und der Zigarette nicht nur schreiben, sondern öffentlich (genussvoll) sprechen.

© Rafaela Proell Suhrkamp Verlag
Robert Menasse