22 Nov 2024

Rechtsgutachten zeigt: Generelles Werbeverbot für Tabak- und E‑Zigaretten ist verfassungswidrig

Das Tabak­wer­be­ver­bot steht kurz vor der Ver­ab­schie­dung durch den Deut­schen Bun­des­tag. Doch ein aktu­el­les Rechts­gut­ach­ten offen­bart nun mas­si­ve ver­fas­sungs­recht­li­che Beden­ken: Mit der E‑Zigarette und der klas­si­schen Tabak­zi­ga­ret­te sol­len zwei völ­lig unter­schied­li­che Pro­duk­te mit unter­schied­li­chen Risi­ko­po­ten­zia­len recht­lich gleich­be­han­delt wer­den – ein unver­hält­nis­mä­ßi­ger Ver­stoß gegen den Gleich­heits­grund­satz. Ein gene­rel­les Wer­be­ver­bot für Tabak­pro­duk­te wäre nach Ein­schät­zung der Juris­ten aber nicht nur ein schwer­wie­gen­der Ein­griff in Grund­rech­te wie die Berufs‑, Mei­nungs- und Kunst­frei­heit, son­dern zudem auch gesund­heits­po­li­tisch fragwürdig.

Gesundheitspolitisch kontraproduktiv

Ein pauschales Werbeverbot, trotz der großen Unterschiede zwischen E-Zigaretten und klassischen Tabakprodukten, ist laut Gutachten gleichheitssatzwidrig und willkürlich. Denn: „Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es nicht nur, Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln“, so die drei Verfasser Dr. Tobias Masing, Dr. Bettina Gausing und Dr. Korbinian Reiter. Doch Werbung für E-Zigaretten soll genauso verboten werden wie Werbung für Tabakzigaretten, obwohl E-Zigaretten erwiesenermaßen deutlich weniger gesundheitsschädlich sind – und außerdem zum Teil nicht mal Nikotin enthalten. Immer mehr Gesundheitsexperten empfehlen die E-Zigarette zudem als erfolgversprechende Unterstützung bei der Entwöhnung von klassischem Tabakkonsum.

Die bestehenden und erheblichen Produktunterschiede zwischen E-Zigaretten und herkömmlichen Zigaretten könnten bei einem pauschalen Werbeverbot nicht mehr an erwachsene Verbraucher kommuniziert werden. Das würde es Konsumenten erheblich erschweren, faktenbasierte Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen. Der Gesetzgeber würde seinen Bürgern praktisch ihre Mündigkeit absprechen. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die geplanten Verbote nach Einschätzung des Gutachtens als geradezu kontraproduktiv für das Ziel einer möglichst gesunden und aufgeklärten Gesellschaft.

Freiheitseinschränkungen für Produzenten und Verbraucher

Das Gutachten zeigt ferner, dass ein pauschales Verbot für Produktkommunikation „schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte der Berufs-, Meinungs- und Kunstfreiheit darstellen.“ Diese Eingriffe treten zu bereits bestehenden Vermarktungsbeschränkungen wie sogenannten Schockbildern und Warnhinweisen auf Verpackungen hinzu. Eine solche Anhäufung von Eingriffen ist, „verfassungsrechtlich anerkannt“, besonders schwerwiegend und überschreitet das „Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität“. Deutlich wird das, wenn man bedenkt, dass das Bundesverfassungsgericht eine Pflicht zur Anbringung von Warnhinweisen gerade damit gerechtfertigt hat, dass Werbung möglich bleibt und Warnhinweise das mildere Mittel gegenüber Werbeverboten darstellen. Bei den geplanten Verboten bliebe von der – eigentlich grundrechtlich geschützten – Freiheit zur Vermarktung und Bewerbung der eigenen Marke also faktisch nichts mehr übrig.

Verletzung von Kommunal- und Unionsrecht

Rechtlich fragwürdig sind die Eingriffe eines pauschalen Werbeverbots darüber hinaus in die kommunale Garantie zur Selbstverwaltung und in die vom EU-Recht garantierten Freiheiten des Dienst- und Warenverkehrs. Die Autoren des Gutachtens warnen davor, dass Kommunen bei einem Verbot von Außenwerbung erhebliche Einnahmeausfälle hinnehmen müssten – mit Folgen für die kommunale Infrastruktur. Da das Werbeverbot keine angemessenen Übergangsregelungen und -fristen vorsieht, wären alle Beteiligten, von Konsumenten und Produzenten bis hin zu den Kommunen, einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Selbst im Rahmen des internationalen und des Unionsrechts sei ein Werbeverbot überdies fragwürdig.

Aufklären statt verbieten

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das geplante generelle Werbeverbot für Tabak- und E-Zigaretten das Ziel eines verbesserten Gesundheitsschutzes deutlich verfehlt. Effektiver ist es, den Bürgern vernünftige Entscheidungen selbst zuzutrauen. Die Zahl der Raucher ist in Deutschland niedriger als im EU-Durchschnitt – und teils deutlich niedriger als in Nachbarländern mit einem vollständigen Werbeverbot, zum Beispiel Frankreich. Die Zahl jugendlicher Raucher ist in Deutschland in den letzten 15 Jahren um zwei Drittel zurückgegangen und liegt mit 6,6 Prozent (BZgA Alkoholsurvey 2018) historisch gering. Auch die Zahl jugendlicher Nutzer von E-Zigaretten ist mit nur 0,9 Prozent (Drogenbericht 2019) besonders gering. Das zeigt: In Deutschland wirken die vorhandenen Regulierungs- und Präventionsmaßnahmen – ganz ohne ein allgemeines Werbeverbot!