Viel Meinung, wenig Fakten
In einem Beitrag für die Deutsche Welle fragen die Autoren: Sind E‑Zigaretten die gesündere Alternative zum Tabak?
Ein Faktencheck
Medienanalyse
Berichterstattung im Fakten-Check: Viel Meinung, wenig Fakten
In einem Videobeitrag der Deutschen Welle geht die Reporterin Kathrin Wesolowski der Frage nach, ob E-Zigaretten „wirklich das ‚gesündere‘ Rauchprodukt“ seien. Für Konsumenten ist das ein guter und wichtiger Ansatz. Doch im Faktencheck schneidet der Beitrag gar nicht gut ab, sondern besticht durch mangelnde Recherche und Ungenauigkeiten. Dabei wäre es auch im Sinne der Gesundheit wichtig, erwachsenen Rauchern Fakten zur Aufklärung zu bieten, um ihnen die Vor- und Nachteile eines Umstiegs auf die E-Zigarette deutlich zu machen.
Der TV-Film beginnt damit, dass die Protagonistin an einer E-Zigarette zieht, den Dampf ausstößt und in die Kamera sagt: „Das war mein erstes Mal E-Zigarette – und ich als Nichtraucherin muss sagen: Es hat gar nicht mal so schlecht geschmeckt.“
Schade, dass das Video den zufälligen Betrachter damit sofort auf eine falsche Fährte führt, denn: Für Nichtraucher sind E-Zigaretten nicht gedacht. Sie sollen vielmehr Rauchern beim Umstieg auf eine weniger schädliche Art des Nikotinkonsums helfen.
Blödsinn: „Rauchen ohne Risiko“
Anschließend wiederholt Wesolowski die Frage, ob E-Zigaretten wirklich gesünder seien als Tabakzigaretten. Eine Frage, die in die Irre führt, denn natürlich sind Zigaretten nie gesund und natürlich ist die beste Option immer, ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Tatsächlich geht es vielmehr darum, ob E-Zigaretten weniger schädlich als Zigaretten sind – ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Im Folgenden sagt die Reporterin, die Hersteller würden mit Slogans wie „Rauchen ohne Risiko“ werben. Das ist in doppelter Hinsicht falsch, denn einerseits werden E-Zigaretten gerade nicht „geraucht“, sondern vielmehr „gedampft“, zum anderen verwenden Markenherstellern wie Reemtsma entsprechende Werbeaussagen überhaupt nicht.
Hier die Fakten im Überblick
These: Hersteller werben mit Aussagen wie „Rauchen ohne Risiko“.
Faktencheck: falsch
Einordnung: Solche Aussagen werden längst nicht mehr verwendet. Die Branche hat sich einen strengen Werbekodex auferlegt.
Es folgt die Aussage, der Konsum habe in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Eine in dem Video gezeigte Grafik soll das unterstreichen. Dabei trifft es zu, dass die Umsätze der Branche seit 2012 deutlich gestiegen sind; im Vergleich zu anderen Ländern, allen voran Großbritannien, bewegt sich das Marktvolumen in Deutschland allerdings auf einem recht niedrigen Niveau. Mittlerweile jedoch hat die Erkenntnis, dass E-Zigaretten potenziell deutlich weniger schädlich sind als Tabakzigaretten, nach der Verunsicherung 2019 im Jahr 2020 wieder für einen steigenden Konsum von E-Zigaretten durch erwachsene Raucher geführt.
These: Der Konsum von E-Zigaretten hat rapide zugenommen.
Faktencheck: bedingt richtig
Einordnung: Der deutsche Markt erholt sich deutlich, bleibt aber noch weit hinter denen anderer Länder zurück.
Im vergangenen Jahr ging der Umsatz der E-Zigarettenhändler in der Bundesrepublik dann klar zurück. Wesolowski führt das – zu Recht – auf Todesfälle in den USA zurück, wo Dampfer nach dem Konsum von E-Zigaretten starben. Diese Umsatzeinbrüche erläutert auch Michal Dobrajc, Geschäftsführer des Verbandes des E-Zigaretten-Handels (VdeH), zu den Hintergründen allerdings wird er nicht befragt. Schließlich erklärt Wesolowski dem Zuschauer immerhin, dass amerikanische Wissenschaftler die Todesfälle auf das Strecken von Liquids mit THC-haltigen Ölen zurückführen konnten. Die Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von Evali (E-cigarette or Vaping Product Use-associated Lung Injury). Übrigens: In Europa sorgt die Tabakproduktdirektive II (TPD II), die in allen Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt wurde, für den Einsatz ausschließlich hochwertiger Rohstoffe und für kontrollierte Produktqualität. Bekannte Markenhersteller wie Reemtsma haben sich zudem eigenen Qualitätsversprechen verpflichtet.
These: Deutsche Konsumenten sind durch Todesfälle in den USA verunsichert.
Faktencheck: richtig
Einordnung: Die Todesfälle wurden durch das Panschen mit THC-haltigen Ölen verursacht – das ist in Deutschland nicht möglich.
Großbritannien ist pragmatisch
Auch auf den weltweiten Markt geht das Video ein und zeigt, dass der US-Markt trotz aller Verwerfungen umgerechnet mehr als 5,5 Milliarden Euro umfasst. Es folgt das ungleich kleinere Großbritannien, wo die Branche im laufenden Jahr voraussichtlich fast 2,8 Milliarden Euro umsetzen wird. Woran das liegt, beleuchtet der Beitrag nicht. Tatsächlich zeigt sich die britische Regierung der E-Zigarette gegenüber im Sinne der harm reduction, also der Schadensminimierung, deutlich aufgeschlossener als etwa deutsche Behörden. So empfehlen auch die Gesundheitsämter des Inselstaates die E-Zigarette als geeignetes Mittel zum Rauchausstieg.
These: Großbritannien ist der zweitgrößte E-Zigaretten-Markt weltweit.
Faktencheck: richtig
Einordnung: Bezogen auf die Zahl der Einwohner ist Großbritannien sogar der größte Markt. Die hohe Akzeptanz für E-Zigaretten liegt am Umgang britischer Behörden mit diesen Produkten, die zum Ausstieg aus der Tabakzigarette explizit empfohlen werden.
In 41 Ländern sei der Verkauf von E-Zigaretten allerdings verboten, heißt es dann, darunter in der Türkei, in Brasilien und in Indien. Auf dem Subkontinent müssten Menschen bis zu einem Jahr ins Gefängnis, wenn sie mit einer „Dampfe“ erwischt werden. Was der Beitrag nicht erwähnt: dass sich in vielen Ländern, in denen E-Zigaretten offiziell aus dem Handel verbannt wurden, ein florierender Schwarzhandel entwickelt hat. Dort sind dann allerdings keine kontrollierten Qualitätsprodukte zu finden, sondern Billigimporte aus China. In Europa kann das nicht passieren: In allen EU-Staaten müssen alle Erzeugnisse der Kategorie mit einem Vorlauf von sechs Monaten angemeldet werden; damit stellen die Behörden den hohen Standard sicher.
These: In einigen Ländern rund um den Globus sind E-Zigaretten verboten.
Faktencheck: bedingt richtig
Einordnung: Die Verbote sind teils sehr unterschiedlich gestaltet. Zudem verlieren die Behörden bei Verboten aufgrund eines lebhaften Schwarzmarktes oft die Kontrolle über den Handel.
Frage nach den Langzeitfolgen
„Ärzte warnen davor, E-Zigaretten zu verharmlosen“, behauptet die Reporterin wenig später – bezieht sich allerdings ausschließlich auf den indischen Markt. Als Beispiel kommt ein indischer Onkologe zu Wort, der seine Aussage in keiner Form stützt. Schuld sei „die E-Zigaretten-Lobby“. Immerhin rückt Karin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) die Aussagen etwas zurecht: „Es sind auf jeden Fall deutlich weniger Schadstoffe im Aerosol enthalten als im Tabakrauch.“ Das Problem sei, ergänzt Wesolowski, dass die Langzeitfolgen noch nicht erforscht seien. Dieser Sichtweise schließt sich Schaller an. Allerdings stimmt das nicht, denn Untersuchungen über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren belegen: Selbst bei intensivem Gebrauch konnten weder Schädigungen der Atemwege noch Herz-Kreislauf-Probleme nachgewiesen werden. Und Prof. Dr. Riccardo Polosa, Urheber der Studie, bestätigte, dass es „keine signifikanten Veränderungen“ bei der Gesundheit der Testpersonen gab.
These: Die Langzeitfolgen eines E-Zigaretten-Konsums sind nicht erforscht.
Faktencheck: falsch
Einordnung: Es gibt bereits heute Studien über mehrere Jahre, die zeigen, dass sich bei Rauchern, die komplett auf die E-Zigarette umgestiegen sind, verschiedene gesundheitliche Parameter verbessern. Die beste Alternative für Raucher, um ihre Gesundheit zu verbessern, ist jedoch der vollständige Verzicht auf das Rauchen und auf den Konsum von Nikotin.
Süße Falle für junge Menschen?
Die nächste Aussage des Films: „Fest steht, vor allem bei jungen Menschen besteht die Gefahr, dass süße Geschmacksrichtungen zum Konsum verleiten.“ Hier werden die bis heute kontrovers diskutierte Gateway-Hypothese und eine willkürliche Behauptung vermischt. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter von E-Zigaretten-Konsumenten in Deutschland laut einer Umfrage der Universität Hamburg bei gut 40 Jahren. 99 Prozent der Teilnehmer hatten zuvor geraucht.
These: Junge Menschen werden zum Konsum verleitet.
Faktencheck: falsch
Einordnung: Studien und Umfragen zeigen, dass junge Menschen und Nichtraucher praktisch nie zu regelmäßigen E-Zigaretten-Konsumenten werden.
Damit wird auch das abschließende Argument des Videos ausgehebelt: dass nämlich vor allem der Schutz der Jugend durch die neuen Werbeverbote sichergestellt würde. Tatsächlich beginnen Jugendliche ebenso wie Nichtraucher im Allgemeinen nur in Ausnahmefällen zu dampfen. Mit den Werbeverboten wird stattdessen den Herstellern und Anbietern die Chance genommen, verantwortungsvoll auf das Potenzial der E-Zigarette für die Rauchentwöhnung hinzuweisen.
These: Werbeverbote schützen junge Menschen vor den Gefahren der E-Zigarette.
Faktencheck: falsch
Einordnung: Junge Menschen greifen nur sehr selten zur E-Zigarette. Mit dem Verbot der Außenwerbung wird mündigen Konsumenten eine wesentliche Informationsquelle verschlossen. Eine aktuelle Umfrage des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) zeigt zudem, dass bei vielen Rauchern eine große Unwissenheit über die E-Zigarette herrscht.
Dr. Thomas Nahde, Leiter des Bereiches Scientific Affairs & Scientific Engagement bei Reemtsma / Imperial Brands DACH & Nordics, resümiert: „Der absolute Rauchstopp und der vollständige Verzicht auf den Konsum von Nikotin ist für Raucher die beste Möglichkeit, ihre Gesundheit zu verbessern. Insbesondere für diejenigen Raucher, die im ersten Schritt jedoch nicht mit dem Rauchen aufhören können oder wollen, kann der Wechsel von der Tabakzigarette zu deutlich risikoärmeren Produkten wie der E-Zigarette einen ergänzenden wichtigen Beitrag dazu leisten. Insbesondere dann, wenn sie sonst weiter rauchen würden. Daher sollten alle durch eine verantwortungsvolle und faktenbasierte Aufklärung an einem Strang ziehen und die Unwissenheit, die sich aus Verboten und wenig fundierter Berichterstattung ergeben können, nicht noch weiter vergrößern.“