Wie arbeitet so ein Forschungslabor in der Tabakindustrie?
Das Product Science Labor der Imperial Brands Gruppe, zu der auch Reemtsma gehört, befindet sich in Hamburg-Bahrenfeld, direkt neben dem Headquarter von Reemtsma. In einer dreiteiligen Serie beschäftigt sich REE:THINK mit der hochkomplexen Tabakwissenschaft. Im zweiten Teil führt uns Christian Schulz, Group Routine Analytics Manager bei Reemtsma, durch das Routinelabor.
Was als erstes auffällt: Es riecht nicht. Weder nach Tabak noch nach Rauch. Das liegt unter anderem an den Vorgaben, die hier strikt eingehalten werden, um im Dienste der Tabakwissenschaft zu forschen. Ohne weißen Laborkittel kommt hier keiner rein, auch Besucher nicht. Hier, im Product Science Lab, gelten weltweit gültige ISO-Normen, auf deren Einhaltung streng geachtet wird, um valide und wiederholbare Ergebnisse zu erhalten.
Einhaltung wichtiger Standards und Qualitätsansprüche
In dem von außen eher unscheinbaren Gebäudekomplex in Hamburg-Bahrenfeld führen Biologen, Chemiker und Physiker in drei Forschungsbereichen jedes Jahr tausende analytische Labortests durch, die sicherstellen, dass die Produkte den regulatorischen Anforderungen entsprechen und die hohen Standards erfüllen, die Reemtsma sich selbst auferlegt hat. Der Bereich „Routine“ untersucht täglich, also routinemäßig, Produktions- und Rohtabakmuster. Das „Non-Routine“-Labor ist unter anderem auf die Forschung an speziellen Inhaltsstoffen spezialisiert, etwa dem Übergang von Geschmackskomponenten in den Rauch. Die Forscher im Bereich Biologie widmen sich mit hochkomplexen Analysenmethoden dem Einfluss von Tabak- und neuartigen Produkten wie der E-Zigarette auf lebende Zellkulturen.
Routinelabor – was passiert hier?
Im Bereich „Routine Analytics“ werden Tabak und Tabakprodukte untersucht. Die Rohtabakanalysen liefern wichtige Daten über die Qualität des gekauften Tabaks und werden für die Zusammenstellung von Tabakmischungen benötigt. Bei der Analyse von Tabakprodukten, wie beispielsweise Zigaretten, wird auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und interner Qualitätsparameter geprüft. Die Analyse erfolgt mit national oder international standardisierten Verfahren, die für alle Hersteller weltweit gelten. So ist die Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet. „Wir prüfen, um sicherzustellen, dass kein Produkt auf den Markt gelangt, das gesetzlich vorgegebene Grenzwerte überschreitet“, sagt Christian Schulz. „Etwa 20 000 Proben von über 20 Fabriken, Tabakhändlern und internen Kunden haben wir im vergangenen Jahr analysiert. Produktionskontrolle ist das, was wir hier täglich tun.“ Diese engmaschige Kontrolle sichert die Einhaltung wichtiger Standards und Qualitätsansprüche.
Erste Station: Probeneingang
Täglich erreichen den „Probeneingang“ im ersten Stock Produktions- und Tabakmuster aus aller Welt. Die Proben werden hier erfasst, in das Labor Informations und Management System (LIMS) eingegeben und mit einer unverwechselbaren Nummer versehen, „damit die jeweilige Wochenprobe auch nachvollziehbar ist“, erklärt Christian Schulz. Dann geht es hoch in den vierten Stock in das Routinelabor.
Wie funktioniert die Rauchmaschine?
Getestet werden Zigaretten unter anderem mit vollautomatischen Rauchmaschinen. Bei jeder Analyse nach dem ISO Standardverfahren wird die Maschine automatisch mit zwanzig Zigaretten bestückt. Ein automatischer Anzünder zündet die Zigaretten an, dann geht es los: Eine Pumpe saugt mit einem Zugvolumen von 35 ml an den Zigaretten. Ein Zug pro Minute, der Zug dauert zwei Sekunden. „Es handelt sich hier um eine sogenannte Konventionsmethode, denn man kann individuelles, menschliches Rauchen nicht 1:1 widerspiegeln“, sagt Christian Schulz.
Rauch auffangen für die Forschung
Der Rauch wird auf einem Filter ("Cambridge-Filter") aufgefangen und kann dann weiter analysiert werden. Routinemäßig wird das Nikotin und das nikotinfreie Trockenkondensat (Teer) gemessen. In der Gasphase, also dem Teil des Rauches der nicht vom Filter aufgefangen wird, wird gleichzeitig der Gehalt an Kohlenmonoxid bestimmt. Diese Bestandteile des Rauchs sind in vielen Ländern der Welt reglementiert und werden von allen Produktionsmustern bestimmt.
Diese Verfahren sind standardisiert und werden in dieser Form weltweit angewendet, denn nur so bekommt man vergleichbare Ergebnisse. Zehn Jahre bleiben die Resultate jeder Probe auf dem Datenserver gespeichert.
Daneben können weitere Parameter untersucht werden, es gibt Nicht-EU-Länder, deren Regulierungen im Heimatmarkt weiterführende Analysen erfordern. Christian Schulz betont, dass eben doch nicht alles nur Routine ist, was hier passiert: „Wir können auch die einzelnen Bestandteile der Zigarette untersuchen, beispielsweise den Filter oder den Tabak. 8000 bis 9000 Tabakanalysen führen wir im Jahr durch. Wie sieht die Blend (also die Mischung) aus? Wie homogen ist der Tabak, hat er die richtige Mischung? Die Daten sind wichtig für die Qualität und den Geschmack des Tabaks, also letztendlich für die Vorgaben der Produktentwicklung. Oder wir arbeiten die Proben für die anderen Laborabteilungen auf, beispielsweise den Rauch für die Forschung.“
Sicher ist sicher
Feuer, Rauch und Chemikalien – geht da nicht auch mal was schief? Ernstzunehmende Unfälle hat es laut Christian Schulz bisher nicht gegeben, von leichten Schnittverletzungen mal abgesehen. Die Glasflaschen mit chemischen Substanzen sind zusätzlich mit Kunststoff ummantelt. Fällt mal eine auf den Boden, tritt trotzdem keine Flüssigkeit aus. Die erstaunlich gute Luft in den Laboren ist auf Hochleistungsabzüge zurückzuführen. Alle Arbeiten finden unter einem Abzug statt, der 600 m³ Luft pro Stunde absaugt. Ein Spritzschutz sorgt für zusätzliche Sicherheit. Einmal jährlich bekommen alle Routinelabor-Mitarbeiter eine große Sicherheitsunterweisung.
Arbeiten im Labor
Im Zuge der Digitalisierung ändern sich auch im Labor die Arbeitsbedingungen, der Weg zum digitalen Labor ohne Papier ist bereits eingeschlagen: Zukünftig sollen Barcodes die Nummernvergabe beim Probeneingang vereinfachen und die Nachverfolgbarkeit optimieren.
In welche Richtung sich die Tabakbranche auch entwickeln mag – Forschung, Produktionskontrolle und Rauchanalytik werden immer ein fester Baustein der Tabakwissenschaft bleiben. Sicherheit und Qualität der Produkte steht bei Reemtsma an erster Stelle, denn nur kann sichergestellt werden, dass die Konsumenten hochwertige und sichere Produkte erhalten und alle regulativen Vorgaben eingehalten werden