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17.05.2019

Die E‑Zigarette im Land der Mythen und Konjunktive

In Deutschland gibt es rund 19 Millionen Raucher. Laut einer Umfrage wollen 44 Prozent von ihnen eigentlich gar nicht mehr zur Zigarette greifen. Viele haben bisher den Ausstieg nicht geschafft bzw. keine passende Alternative gefunden. Eine wachsende Zahl ehemaliger Raucher findet aber heute in der E-Zigarette (Statistiken sprechen von 3,7 Mio. Konsumenten) eine bessere – da tabakfreie – Alternative. Doch warum steigen bislang nicht noch mehr Raucher auf die bis zu 95 Prozent weniger schädliche E-Zigarette um?

Schlechte Nachrichten für umstiegswillige Raucher – immer und immer wieder

Einen Grund dafür sehen Wissenschaftler der IFT München in der teils sehr widersprüchlichen Berichterstattung zur E-Zigarette. Das am häufigsten behandelte Thema ist das „potenzielle Gesundheitsrisiko durch den Konsum von E-Zigaretten“.

Das Problem der Berichterstattung: Es scheint unter den meisten Journalisten eine Scheu zu geben, neutrale oder gute Nachrichten über die E-Zigarette zu teilen – wie zum Beispiel die nachgewiesene Hilfestellung bei der Tabakentwöhnung oder die nachweislich geringere Schädlichkeit im Vergleich zur klassischen Zigarette. Häufig liegt Artikeln mehr Meinung als fundierte Faktenlage zugrunde. So machte zum Beispiel die Deutsche Welle einen Artikel mit der Überschrift „E-Zigaretten verursachen Herzinfarkte und Depressionen“ auf.

Dezidiert wurden Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie zu möglichen gesundheitlichen Folgen des „Dampfens“ aufgeführt, dass dem lesenden Dampfer angst und bange werden konnte. Zudem wurde der Urheber der Studie, Medizinprofessor Mohinder Vindyhal von der Kansas School of Medicine in Wichita, mit den Worten zitiert: „Ich möchte nicht, dass irgendeiner meiner Patienten oder Familienmitglieder E-Zigaretten ‚dampft‘“. Beweisaufnahme abgeschlossen!

Wirklich? Nicht ganz: Wer sich nach diesen besorgniserregenden Zeilen noch nicht verschreckt abgewendet hatte und doch die letzten Absätze des Artikels las, dem zeigte sich auf einmal ein differenziertes Bild. Dort hieß es, dass „wahrscheinlich viele E-Zigaretten-Dampfer früher auch Tabak geraucht haben. Insofern könnte die erhöhte Zahl von Herzerkrankungen auch damit etwas zu tun haben“. Dass fast ausschließlich ehemalige Tabakkonsumenten zur E-Zigarette greifen, haben übrigens mittlerweile mehrere Umfragen unter Dampfern in Deutschland gezeigt.

Zudem stellte sich ferner sich die Frage, „ob die beobachtete hohe Anzahl von Menschen mit Depression möglicherweise etwas damit zu tun hat, dass psychisch Kranke eher zum Genussmittelkonsum neigen. Daher könnte es sich vielleicht um eine Verwechslung von Kausalität und Korrelation handeln“. Nach diesen vielen Konjunktiven war der Leser wohl vollends verwirrt.

Die E-Zigarette im Land der Halbwahrheiten

Diese Art der Berichterstattung ist leider kein Einzelfall. Ähnlich verhielt es sich in einer Agenturmeldung, in der die geringere Schädlichkeit von E-Zigaretten im Vergleich zu Tabakzigaretten infrage gestellt wurde. Auch in diesem Fall wurde über eine US-amerikanische Studie berichtet – hierbei ging es um die Angst vor der „Verführung“ von Jugendlichen durch E-Liquid-Aromen. Dass es sich um eine Betrachtung des amerikanischen Marktes, der sich in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem deutschem vergleichen lässt, handelt, wurde bei der Bewertung der Ergebnisse mal wieder nicht berücksichtigt. Ebenso wenig die zentrale Erkenntnis der Studie, dass Aromen wichtig für den Rauchstopp von Erwachsenen sind.

Mittlerweile kommen zahlreiche – darunter staatliche – Studien zu dem Ergebnis, dass E-Zigaretten 95 Prozent weniger Schadstoffe enthalten, da sie keinen Tabak verbrennen. Die Berücksichtigung dieser Publikationen kommt in den meisten Artikeln zu kurz, wenn es um die Bewertung der E-Zigarette geht – genau genommen wird dieser für Raucher nicht unwichtige Fakt zumeist verschwiegen.

Medien übernehmen wichtige Rolle bei der Aufklärung

Medien sollten sich unabhängig und objektiv mit jeglicher Art von Themen auseinandersetzen. Bei der E-Zigarette scheint dieses journalistische Credo nicht immer zu gelten. So legt auch die Studie des IFT München nahe, dass die oftmals negative Berichterstattung zur E-Zigarette zu Verunsicherungen bzw. Fehlinformationen bei den Menschen führt. Im Rahmen einer Befragung hielt fast die Hälfte der Menschen E-Zigaretten für genauso gefährlich wie Tabakzigaretten. „Somit besteht demnach eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Gesundheitsgefahren von E-Zigaretten in der deutschen Bevölkerung und der Einschätzung internationaler Experten, die E-Zigaretten größtenteils als weniger schädlich als andere Tabakprodukte ansehen. Dass nur 13 Prozent der Befragten keine Einschätzung zu den möglichen Gesundheitsgefahren von E-Zigaretten abgegeben konnten, spricht zudem dafür, dass die Mehrheit der Deutschen sich offensichtlich gut informiert fühlt“, heißt es dazu in der IFT-Studie.

Wie sollte Berichterstattung aussehen?

Die Berichterstattung sollte das Ziel haben, aufzuklären. Dazu braucht es eine Auseinandersetzung mit den unabhängigen Fakten und Studien, ganz gleich, ob diese ins eigene Weltbild oder in eine populäre Meinungslage passen.

Wenn die Raucherquote in Deutschland weiter sinken soll, können auch die Medien ihren Beitrag dazu leisten und über die Vor- und Nachteile neuer Produkte wie der E-Zigarette gleichermaßen besser aufklären.

Eben: #faktenstattvorurteile und #wissenstattdissen.