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03.12.2020

Dr. Tho­mas Nah­de: „Alter Quit-or-Die-Ansatz hilft Rau­chern nicht.“

Das wissenschaftliche SCHEER-Komitee (Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks) der Europäischen Kommission hat jüngst seinen vorläufigen Bericht zur Einschätzung von E-Zigaretten vorgelegt.

Die Schlussfolgerungen dieses vorläufigen Berichtes, insbesondere aber die recht einseitige und sehr selektive Auswahl wissenschaftlicher Studien, sind aus unserer Sicht in höchstem Maße enttäuschend und bleiben daher deutlich hinter den Erwartungen an eine wissenschaftlich-ausgewogene und evidenzbasierte Bewertung von E-Zigaretten zurück.

Statt E-Zigaretten als eine mögliche Alternative für erwachsene Raucher im Kontext von Tobacco Harm Reduction, einem gesamtgesellschaftlichen Konzept zur Schadensreduktion, einzuordnen und entsprechend zu bewerten, setzt dieser Bericht vielmehr die wenig ausgewogene und emotional statt faktenbasiert geführte mediale Berichterstattung der vergangenen 12 Monate fort.

Vor diesem Hintergrund könnte der Bericht auch erhebliche negative gesundheitliche Auswirkungen auf Millionen ehemalige erwachsene Raucher haben: Haben sie bereits die E-Zigaretten als Alternative zum Rauchen gewählt, werden sie nun möglicherweise verunsichert und greifen stattdessen wieder zur Zigarette als schädlichste Möglichkeit, Nikotin zu konsumieren. Gleiches gilt einmal mehr für die vielen erwachsenen Raucher, die vielleicht erwogen haben, alternativ auf die E-Zigarette umzusteigen aber diesen Schritt weg von der Zigarette nun doch lieber unterlassen.

„Anstatt dieses Potenzial wissenschaftlich aktuell zu beurteilen, schreibt dieser vorläufige SCHEER-Bericht einfach die alte Devise „Quit or Die“ (also: „Hör auf oder stirb“) der Weltgesundheitsorganisation fort. Ein derartiger Ansatz ist aber nicht nur wenig hilfreich, sondern zeugt auch von fehlendem Mitgefühl gegenüber Millionen erwachsenen Rauchern, für die ein Rauchstopp – aus welchen Gründen auch immer – (noch) keine realistische Alternative ist“, so Dr. Thomas Nahde, Leiter des Bereiches Scientific Affairs & Scientific Engagement bei Reemtsma / Imperial Brands DACH & NORDICS.

Vor diesem Hintergrund sind die echten Verlierer einer derartigen Berichterstattung möglicherweise die mehr als 70 Millionen Raucherinnen und Raucher in Europa, die dadurch möglicherweise in ihrer Entscheidung weg von der Zigarette und hin zu weniger schädlichen Alternativen verunsichert werden und stattdessen weiter rauchen.

Daher bemühen wir uns auch weiterhin um einen vertrauensvollen Dialog mit unseren Konsumenten, Gesundheitsorganisationen und -behörden sowie Regulierern und arbeiten weiter an der wissenschaftlichen Datenlage, um erwachsene Raucher zu einem Umstieg zu ermutigen und dadurch einen positiven gesamtgesellschaftlichen Gesundheitsbeitrag zu leisten.

Reemtsma / Imperial Brands hat daher eine offizielle Antwort auf den vorläufigen Bericht des SCHEER-Komitees eingereicht, um auf die wesentlichen und unserer Ansicht nach zu einseitig dargestellten Punkte hinzuweisen. Dazu gehören insbesondere:

  • Relatives Risiko vs. absolutes Risiko: Das SCHEER-Komitee beurteilt mögliche Auswirkungen von E-Zigaretten auf die Gesundheit gerade nicht in ihrem eigentlichen Kontext – nämlich als eine weniger schädliche Alternative für erwachsene Raucherinnen und Raucher, die ansonsten weiter Zigaretten rauchen würden. Ganz im Gegenteil lässt das Komitee diesen Aspekt des relativen Risikos für erwachsene Raucher im Vergleich zu Zigaretten außer Acht und betrachtet allein das absolute Risiko und zwar insbesondere für Nichtraucher. Zwar ist diese Betrachtung insbesondere bei der Beurteilung von gesundheitlichen Risiken für Niemals-Raucher absolut notwendig und auch wichtig – bei der weiteren Betrachtung muss allerdings ein absolutes Risiko (für Niemals-Raucher) von einem relativen Risiko (für erwachsene Raucher, die bereits E-Zigaretten konsumieren oder, wichtiger, diejenigen erwachsenen Raucher, die bisher Zigaretten rauchen und sehr wahrscheinlich von einem Umstieg auf E-Zigaretten am meisten profitieren würden) unterschieden und gemeinsam beurteilt werden. So kommt das Frankfurter Institut für Suchtforschung in seinem aktuellen Positionspapier zur E-Zigarette bei einer derartigen Betrachtung zu einer deutlich positiveren Einschätzung hinsichtlich des Potenzials der E-Zigarette im Kontext von Tobacco Harm Reduction.

 

  • Gesundheitliche Folgen des E-Zigaretten-Konsums gegenüber dem Zigaretten-Rauchen: Der SCHEER-Bericht lässt bei seinen Schlussfolgerungen große Teile der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage außer Acht, die klar zeigen, dass der Dampf einer E-Zigarette deutlich weniger und geringere Konzentrationen schädlicher Substanzen enthält als Tabakrauch. Tabakrauch hingegen enthält über 7000 verschiedene Substanzen, von denen über 100 schädlich oder möglicherweise schädlich sind. Zunehmend zeigen auch klinische Studien, dass erwachsene Raucher, die auf E-Zigaretten umsteigen, erheblich weniger krebserregenden Stoffen, sogenannten Karzinogenen, und anderen Schadstoffen ausgesetzt sind, die üblicherweise beim Verbrennen von Tabak entstehen. Tatsächlich sind die Mengen dieser Schadstoffe, die sich im Blut von Umsteigern messen lassen, sehr ähnlich denen im Blut derjenigen, die ganz ohne Hilfe oder aber mithilfe von Nikotin-Ersatzprodukten mit dem Rauchen aufgehört haben. Hinsichtlich der im Bericht besonders hervorgehobenen gesundheitlichen Herz-Kreislauf-Risiken konnte eine aktuelle und unabhängig durch die British Heart Foundation finanzierte klinische Studie klare Verbesserungen bei verschiedenen gemessenen kardiovaskulären Parametern wie der Gefäßfunktion feststellen. Diese Verbesserungen konnten bei den untersuchten Probandinnen und Probanden bereits einen Monat nach dem Umstieg von der Zigarette auf die E-Zigarette festgestellt werden. Diese unabhängige Studie wurde – um nur ein Beispiel zu nennen – in dem vorläufigen SCHEER-Bericht bisher leider nicht berücksichtigt.

 

  • Gateway-Hypothese: Zwar betont der SCHEER-Report das Risiko eines möglichen Gateway-Effektes von der E-Zigarette hin zum Zigarettenrauchen – tituliert also die E-Zigarette quasi als eine „Einstiegsdroge hin zum Zigarettenrauchen“ – echte Daten, die diese generelle Hypothese belegen, bleibt der Bericht jedoch schuldig. Ganz im Gegenteil zeigen regulierte Märkte, zu denen ja gerade auch Deutschland gehört, einen fortgesetzten deutlichen Rückgang des Rauchens – ganz unabhängig von der Einführung der E-Zigarette vor mittlerweile über 10 Jahren in Deutschland. Sollte das Komitee belastbare Daten vorliegen haben, die hingegen eine Gateway-Hypothese stützen, bitten wir dringend darum, diese offenzulegen und gemeinsam mit den Anbietern von potenziell weniger schädlichen Alternativen zum fortgesetzten Zigarettenrauchen zu überlegen, welche präventiven Maßnahmen getroffen werden können.

 

Abschließend bleibt zu bemerken, dass der SCHEER-Bericht ausschließlich Daten zwischen Januar 2015 und April 2019 berücksichtigt. Und obgleich sich die wissenschaftliche Daten- und Studienlage derzeit geradezu rasant entwickelt, wurden die vergangenen 18 Monate wissenschaftlicher Evidenz, die die Rolle der E-Zigarette im Kontext von Tobacco Harm Reduction zunehmend stützen, leider schlichtweg ausgeblendet.

Auch wir stimmen darin überein, dass mehr wissenschaftliche Evidenz notwendig ist, um insbesondere die langfristigen gesundheitlichen Effekte und Folgen des E-Zigaretten-Konsums besser beurteilen zu können, da E-Zigaretten derzeit noch nicht lang genug auf dem Markt sind, um schon jetzt auf entsprechende epidemiologische Daten zurückgreifen zu können. Die gesundheitlichen Folgen des Tabakrauchens hingegen sind hinlänglich bekannt und schon heute deutet die Gesamtheit der vorliegenden wissenschaftlichen Daten und Studien klar darauf hin, dass E-Zigaretten deutlich weniger schädlich sind als Zigaretten. Genau darum unterstützen schon heute verschiedene Staaten, wie z. B. England, den Umstieg auf den Konsum von E-Zigaretten als Alternative für erwachsene Raucher, die ansonsten weiter rauchen würden. Und tatsächlich scheint England der Platz eins im europäischen Tabak-Kontroll-Index recht zu geben.

Insofern lässt der vorläufige SCHEER-Bericht wissenschaftliche Unvoreingenommenheit vermissen, da er den Anschein vermittelt, vorliegende Daten selektiv bei seiner Bewertung ausgewählt zu haben und gesundheitliche Risiken vollkommen losgelöst vom bestehenden wissenschaftlichen Konsens zur Rolle der E-Zigarette im Kontext von Tobacco Harm Reduction zu bewerten.