23 Nov 2024

Rauchverbot in der Gastronomie: Im Gespräch mit einem Hamburger Gastronom

Seit eini­gen Jah­ren gibt es Rauch­ver­bo­te für die Gas­tro­no­mie. Ein Ham­bur­ger Restau­rant­chef spricht über sei­ne Erfah­run­gen mit rau­chen­den Gäs­ten und dar­über, wie die Ziga­ret­te vor der Tür Kult wurde.

In Deutschland gilt das Rauchverbot in Restaurants und Kneipen. Über die Einführung des Rauchverbots war lange und heftig debattiert worden. Vor 2007 lag die Zustimmung in der Bevölkerung für ein Rauchverbot in der Gastronomie bei 67, inzwischen liegt sie bei 81 Prozent.*

REE:THINK hakte bei einem Kenner der Hamburger Gastronomieszene nach, wie er die Veränderungen erlebte. Lars Menge betrieb über zwei Jahrzehnte lang die Szene-Kneipe Kurhaus und die Café-Bar Amphore am Hamburger Hafen. Heute ist er Betreiber des Schauermann, ein edles Restaurant mit Blick auf die Elbe. Wir trafen den Gastronomen vor Ort bei den Landungsbrücken, vis-à-vis von Dock 10. Das Interieur im Schauermann stammt von Thonet. An den Wänden hängen Werke angesagter Fotokünstler und dazu gibt es Kulinarisches vom Wiener Schnitzel über gebratenen Pulpo bis zum Hirschrücken.

REE:THINK: Herr Menge, nachdem das Rauchen in Restaurants und Kneipen verboten worden war, gab es viele Befürworter, aber auch viel Gegenwind. Wie erlebten Sie die Reaktionen der Gäste?

Lars Menge: Es war unterschiedlich. In meinen Kneipen wie Kurhaus und Amphore gab es in den Reihen der Raucher einige, die das strikte Rauchverbot als großen Einschnitt empfanden. Die Zigarette zum Bier schmeckt im Hamburger Nieselregen eben nicht so gut wie in einer gemütlich verrauchten Kneipe. Später wurde das Rauchverbot für Kneipen und Bars in einigen Bundesländern noch einmal angepasst. In Hamburg darf seitdem in sogenannten Einraumkneipen wie dem Kurhaus geraucht werden, wenn dort ausschließlich Getränke angeboten werden und Jugendliche unter 18 keinen Zutritt haben. Die meisten unserer Gäste finden das gut. Ich erlebe aber auch Situationen, in denen eine größere Gruppe weitergeht, weil einer darunter ist, der nicht in eine Raucherbar möchte. Die Entscheidung, ob man sich dem Rauch aussetzt, wird vom Einzelnen bewusst getroffen.

REE:THINK: Und wie erleben Sie es in Ihrem Restaurant, das 2004 öffnete?

Lars Menge: Im Schauermann gab und gibt es extrem positive Reaktionen. Selbst passionierte Raucher empfanden es damals manchmal als störend, wenn sich der Nachbar die Zigarette ansteckte, während man selbst noch bei der Vorspeise oder dem Hauptgang war. Das ist dank des Rauchverbots kein Thema mehr. Die Gäste gingen von Anfang an selbstverständlich zwischen den Gängen raus, um sich eine Zigarette anzustecken. Dieser Moment hat etwas sehr Verbindendes. Das Ritual wurde angenommen und etabliert.

Lars Menge vor seinem Restaurant Schauermann

REE:THINK: Entstand eine Rauchkultur?

Lars Menge: Das könnte man so nennen. Nicht selten bilden sich dabei Grüppchen, und die Leute kommen ins Gespräch, während sie draußen rauchen. Wenn ich „Das Essen ist da“ rufe, ergibt sich daraus oft ein netter Wortwechsel. In dem Zusammenhang könnte man fast sagen: Rauchen fördert die Kommunikation. Draußen zu rauchen, ist längst ein Teil unserer Ausgehkultur.

REE:THINK: Ist das Rauchverbot noch ein Thema zwischen Gast und Gastronom?

Lars Menge: Eher nicht. Wir versuchen, es unseren Gästen vor dem Restaurant in der „Rauchernische“ so angenehm wie möglich zu machen. Mit kleinen Solarlaternen, die mit Sand und Strandgut gefüllt sind, und mit warmen Decken sorgen wir für eine entspannte Atmosphäre. Man nimmt den Drink mit raus und genießt die Aussicht. Im Sommer ist unsere Außenterrasse mit dem weiten Blick auf die Docks sowieso sehr beliebt.

REE:THINK: Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Location nicht so perfekt ist?

Lars Menge: Für mich sind kreative Lösungen interessant. Vor der Kurhaus-Kneipe, die an einer belebten Straßenecke liegt, habe ich vor Jahren aus der Raucherecke eine Raucherdecke gemacht. Eine große, schwere Pferdedecke wurde an der Wand befestigt, in die sich Raucher bei Kälte einwickeln konnten. Das wurde extrem gut und humorvoll angenommen. Es war kultig, sich eingewickelt und rauchend fotografieren zu lassen. Ein Kurhaus-Anhänger baute sogar eine Website, auf der Fotos von Kurhaus-Gästen und von eingehüllten Passanten gezeigt wurden.

REE:THINK: Jack Nicholson, übrigens passionierter Raucher, sagte in einem Interview: „Ich war in einer dieser verrauchten Pariser Bars – und die einzige Möglichkeit, dass ich nicht ins Husten ausbrach, bestand darin, mir selbst eine anzustecken.“ Glauben Sie, wo geraucht wird, ist die Versuchung größer?

Lars Menge: Sicher. Wer raucht, weiß, dass die Menge der Zigaretten steigt, wenn ringsherum gequalmt wird – und der Wein schmeckt.

REE:THINK: Sie rauchten fast zehn Jahre lang und sind heute Nichtraucher. Zu Hause haben Sie, auch wegen Ihrer drei Kinder, nie geraucht. Wie wichtig ist Ihnen die Vorbildfunktion beim Thema Rauchen?

Lars Menge: Für mich ist es selbstverständlich, vor Kindern nicht zu rauchen. Übrigens nicht nur vor meinen eigenen dreien. Ein Vorbild zu sein ist wichtig. Was Erwachsene angeht, bin ich überzeugt, dass das Bewusstsein des Einzelnen heute geschärft ist und jeder für sich bewusst entscheidet. Ob in Bezug auf die eigene Gesundheit oder die der Familie. Das gilt für die Ernährung ebenso wie für den Alkohol- und Tabakgenuss.

REE:THINK: Herr Menge, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Vor der Kurhaus-Kneipe können sich frierende Raucher in die Raucherdecke einhüllen